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Flatline

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Titel: Flatline Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erwin Kohl
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Punkte.«
    Strietzel lehnte sich an einen Unterschrank und verschränkte die Arme vor der Brust.
    »Diese Punkte, wie du es ausdrückst, kann bis vor kurzem noch nie ein Mensch gesehen haben. Es gibt sie nämlich eigentlich gar nicht, zumindest einen Teil davon«, schränkte er ein. Bevor Joshua nachhaken konnte, fuhr Strietzel fort.
    »Die Kollegen an der Uni haben die ganze Nacht durchgearbeitet. Heute Morgen um fünf waren sie so freundlich, mich zu wecken. Sagt dir H5N1 etwas?«
    »Der Vogelgrippevirus?«
    »Genau! Eine bisher unbekannte Mutation von diesem Erreger tummelte sich milliardenfach in seinem Körper. Ebenso häufig kommt der Erreger des Denguefiebers in seinem Blut vor und noch ein halbes Dutzend anderer Viren, die nicht gerade auf der Artenschutzliste stehen.«
    »Wie kam er daran?«
    Joshua hatte nicht viel Ahnung von Virologie, was den Schatten, der sich über ihm zusammenzog, nur noch bedrohlicher erscheinen ließ. Die Lippen des Arztes bildeten eine dünne, gerade Linie. Der kalte, stählerne Ausdruck seiner Augen machte Joshua unruhig.
    »Intravenös, würde ich sagen.«
    Strietzel machte eine kurze Pause. Joshuas Unruhe stieg weiter an.
    »Diese Mixtur kann er sich wohl kaum auf natürlichem Wege zugezogen haben. Wenn man mal von dem aus der Art geschlagenen H5N1-Erreger absieht, kommt der Rest in jedem gut sortierten Labor vor.«
    »Wie bitte?«
    »Die Pharmaindustrie ist im Besitz aller bekannten Viren. Sie benötigt sie, um Impfstoffe zu entwickeln. Um deine Frage vorwegzunehmen, sie werden den Menschen nicht versuchsweise injiziert. Erst in der dritten Phase der Medikamentenentwicklung kommen die Probanden ins Spiel. Dabei geht es dann lediglich noch um Verträglichkeiten und Nebenwirkungen. Wovon im uns betreffenden Fall keine Rede sein kann. Der Verblichene war die reinste Labormaus und selbst denen geht es noch besser. Es war natürlich nicht die Todesursache, aber das Opfer wurde zweifelsfrei für illegale medizinische Versuche missbraucht. Übrigens allem Anschein nach sehr erfolgversprechend, auch wenn es zynisch klingt. Aus medizinischer Sicht die viel größere Sensation.«
    Drei Morde, um ein Medikament oder einen Impfstoff zu entwickeln. Joshua bekam eine Gänsehaut bei dem Gedanken, wie skrupellos mit dem Leben von Menschen umgegangen wurde. Aus Strietzels Augen entwich die Kälte, seine Mimik ging in eine kühle Sachlichkeit über, als er weitersprach.
    »Die Kollegen der Virologie konnten Antikörper und Zellreste nachweisen, und zwar von sämtlichen Erregern, die sich in seinem Körper befanden. Es sieht beinahe so aus, als wäre es jemandem gelungen, einen universellen Impfstoff zu entwickeln. Das würde quasi der Lizenz gleichkommen, Geld zu drucken.«
    Joshua pfiff durch die Zähne. Da war also das lang ersehnte Motiv. Im selben Moment kamen ihm Bedenken. Sobald dieser Impfstoff auf den Markt käme, gäbe es eine Spur zum Mörder. Zudem dürften große Pharmakonzerne wohl kaum derartige Mittel einsetzen und einem kleinen Labor die Möglichkeiten der Herstellung und Vermarktung fehlen.
    »Es sind letztendlich nur Formeln«, klärte Strietzel ihn erneut auf, »die könnten großen Konzernen über Mittelsmänner zum Kauf angeboten werden. Und glaube mir, die Pharmaindustrie ist nicht so zimperlich, wie du denkst, wenn es darum geht, ein gutes Geschäft zu machen. Außerdem dauert es noch Jahre bis zur Zulassung, da wächst viel Gras.«
    Joshua schluckte.
    »Du meinst, da haben die Mitarbeiter eines kleinen Labors gemeinschaftlich einen dreifachen Mord verübt?«
    »Muss nicht sein. Eine Einzelperson wäre ebenso denkbar. Was den wissenschaftlichen Background betrifft.«
    Joshua fiel ein Detail auf, welches einen Anflug von Erleichterung in ihm auslöste.
    »Du sagtest, es ist ihnen gelungen, einen Impfstoff zu entwickeln. Heißt das, wir brauchen keine weiteren Opfer mehr befürchten?«
    »Möglich«, Strietzels unsicherer Ausdruck war Gift für Joshuas vorschnellen Optimismus, »allerdings werden in der Praxis Hunderte von Tests gemacht, um das Ergebnis zu verifizieren. Mit Mäusen und Ratten, aber dieser Schritt wurde im vorliegenden Fall ja offensichtlich übersprungen. Besser, du schränkst deine Erwartungen ein wenig ein.«
    Wie eine riesige Pranke mit nadelgleichen Krallen spürte Joshua die Zeit im Nacken. Noch schwebte sie über ihm, was sich Sekunden später ändern sollte.
    »In Ordnung. Behalte das Ergebnis auf jeden Fall für dich. Es darf kein Wort

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