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Flatline

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Titel: Flatline Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Erwin Kohl
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wirklich wert war, wer es entwickelt hatte und vor allem, warum es verkauft werden sollte. Bevor er den Job als Geschäftsführer bei Beier antrat, hatte er das Gehalt seines Vorgängers gekannt. Sänger war zeit seines Lebens auf alles bestens vorbereitet gewesen. Diese Strategie funktionierte nicht mehr. Immer mehr Überraschungen hatte er in den letzten Tagen schlucken müssen. Er stand nun einem Gegner gegenüber, der ihn wie einen Hund an der Leine führte. Mal bekam er viel Freilauf, dann wieder zog Orlefson die Leine an. Beim Gedanken an den smarten Killer stieg Magensäure in seine Speiseröhre. Im Gegensatz zu ihm trug Orlefson fast kein Risiko, er konnte sich jederzeit ins Ausland absetzen, wohlwissend, mit den vier Millionen oder der Formel ausgesorgt zu haben. Zu gerne würde Sänger dieses Schwein ans Messer liefern. Aber er konnte ihn nicht greifen. Orlefson besaß nicht die kleinste Kerbe. Er war glatt wie ein Aal. Ausgerechnet auf diesem Menschen ruhten nun zwangsläufig alle Hoffnungen. Sänger würgte den Gedanken daran ab, was wäre, wenn Orlefson das Geld nähme und mit der Formel verschwinden würde.
    Sänger hatte sich vor zwei Stunden zum Duell mit der Zeit verabredet. Der Druck auf den Knopf, der die Überweisung abschickte, war zugleich der Druck auf den Startknopf einer Stoppuhr. Seitdem raste die Zeit der Ungewissheit entgegen. Morgen würden Lizenzgebühren fällig. Erfahrungsgemäß überwies die Buchhaltung die Beträge erst am Nachmittag. Sänger warf einen sorgenvollen Blick auf seine Schweizer Armbanduhr. Knapp 24 Stunden würden noch vergehen, bis erstaunte Kollegen in der Buchhaltung das leer geräumte Konto bewundern konnten. Um zehn Uhr würde Sänger den Koffer mit dem Geld hinterlegen, um 13.30 Uhr würde der Flieger starten. Dreieinhalb Stunden bangen Wartens auf die Formel. Sänger wischte sich den Schweiß von der Stirn.
    Sobald er in Simbabwe sein würde, musste er sich mit dem Beier Konzern außergerichtlich über die Rückzahlung der vier Millionen einigen. Einen internationalen Haftbefehl konnte er sich als erfolgreicher Geschäftsmann nicht erlauben. Die Firma würde sich die schlechte Publicity ersparen wollen und kooperationsbereit sein, dachte Sänger zuversichtlich. Ein Hauch von Optimismus kehrte zurück. Orlefson hatte verhandelt, es war gefährlich für ihn, die Formel selber anzubieten. Außerdem war er ein absoluter Laie auf dem Gebiet, verfügte über keinerlei Kontakte, machte Sänger sich Mut. Selbstsicherheit sprudelte wie das kristallklare Wasser eines Gebirgsbaches durch seinen Körper. Wie hatte er gerade jetzt die Fähigkeit verlieren können, analytisch zu denken? Natürlich, da war sie, die Kerbe. Sie lag offen vor ihm, schrie förmlich danach, gefasst zu werden.Orlefson war ebenso auf ihn angewiesen wie umgekehrt. Er hatte geblufft, es gab keinen Interessenten. Beim nächsten Anruf des Killers würde er die Forderung stellen, die Formel gegen das Geld zu tauschen. Eine unsichtbare Hand legte sich um den Hals des Managers. Er musste sich absichern. Sein gesamtes Wissen über Orlefson notieren, den Brief an einem sicheren Ort hinterlegen. Die aufkommende Zufriedenheit legte ein Lächeln auf sein Gesicht, als Mozarts Kleine Nachtmusik in polyphonen Tönen aus der Innentasche des Jacketts drang.
    »Braun, guten Tag Herr Sänger. Herr Sänger, ich muss Ihnen leider mitteilen, dass die BeierPharm AG die Überweisung der vier Millionen Euro vor wenigen Augenblicken storniert hat. Es tut mir furchtbar leid.«
    Vorbeigehenden Spaziergängern offenbarte sich der Anblick eines Sandsacks, der im Zeitlupentempo auf die Bank hinter sich fiel.
     
     

47
    Pille hatte die SoKo zu einem Treffen geladen. Fast alle saßen sie in dem kleinen Besprechungsraum. Karin und Joshua klärten die Kollegen über ihre Ergebnisse auf. Es galt nun, die Ermittlungen auf Sänger zu konzentrieren. Vor wenigen Minuten hatte Doktor Weingarten angerufen. Sänger hatte vier Millionen Euro von einem Firmenkonto auf sein Privatkonto transferiert.
    »Die Gage für den Mörder«, folgerte Kalle.
    »Ja«, antwortete Karin, »dummerweise hat der Konzern die Buchung umgehend rückgängig gemacht. Die Fahndung ist raus, wir haben das Kennzeichen des Firmenwagens, den Sänger benutzt. Mit dem Geld hätte er uns zum Mörder geführt. So wird er unberechenbar.«
    Joshua hielt es nicht mehr auf seinem Stuhl. Im Rücken der Kollegen lief er am Fenster hin und her.

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