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Flavia de Luce 5 - Schlussakkord für einen Mord: Roman (German Edition)

Flavia de Luce 5 - Schlussakkord für einen Mord: Roman (German Edition)

Titel: Flavia de Luce 5 - Schlussakkord für einen Mord: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Bradley
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während er nach Luft rang, die Wärme im Magen, dann das Schwinden der Sinne, die strudelnde Dunkelheit, und dann … was dann?
    Der Tod, was sonst? Jedenfalls, wenn der Äther lange genug und in ausreichender Menge verabreicht worden war. Dann konnte es durchaus zur Lähmung des zentralen Nervensys-tems und zum Aussetzen der Atmung kommen. Ich kannte die schaurigen Einzelheiten aus Heinrich Brauns Klassiker Die Lokalanästhesie. Die abgegriffene Ausgabe stand auf dem Wandbord über Onkel Tars Schreibtisch. Seine eigenen Experimente mit Procain und Stovain (Letzteres benannt nach dem Franzosen Ernest Fourneau, dessen Name im Französischen »stove«, also »Ofen« bedeutet) waren in Onkel Tars mikros-kopischer Kritzelschrift säuberlich auf den Rändern der Seiten dokumentiert.
    Wer aber kam heutzutage bei uns in Bishop’s Lacey an Äther heran? Wahrscheinlich nur sehr wenige Personen.
    Wenn man es recht bedachte, war vermutlich ein Arzt der Einzige, der das Zeug stets in seiner Tasche mit sich herumtrug.
    Ich musste mich unbedingt mit Dr. Darby unterhalten.
    Morgen war Ostersonntag. Bestimmt ging er, falls keine medizinischen Notfälle vorlagen, wie alle anderen Dorfbewohner in die Kirche und organisierte wie immer den Eierlauf und die Eiersuche. Ich würde ihn am Friedhofstor abfangen und mich unauffällig erkundigen können, ob er in letzter Zeit etwas aus seiner Tasche vermisst hatte.
    Zuallererst musste ich aber schlafen.
    Dogger hatte Esmeralda offenbar aus dem Gewächshaus hereingebracht, denn sie hockte zufrieden auf einem Laborständer. Und auf meinem Bett lag ein frisch gelegtes Ei.
    Das würde ich mir für den nächsten Morgen aufheben, beschloss ich. Morgen würde ein langer Tag werden.
    Vater würde uns um fünf aus den Betten scheuchen, damit wir vor der dreistündigen Sperre noch ein leichtes Frühstück zu uns nehmen konnten.
    Als Katholiken mussten wir mindestens von Mitternacht bis zum Empfang des Abendmahls fasten. Nur wer schwer krank war und in Lebensgefahr schwebte, durfte vorab einen Marmeladentoast zu sich nehmen.
    Vater war mit dieser Vorschrift allerdings nicht einverstanden.
    »Ein warmes Frühstück ist unverzichtbar, wenn nicht gar verpflichtend«, pflegte er zu sagen. »Man weiß nie, wann oder ob überhaupt man wieder etwas zu essen bekommt.«
    Diese Weisheit hatte er sich wahrscheinlich beim Militär angeeignet, jedenfalls spürten wir, dass wir besser nicht nachfragten. Vater hatte mit dem Vikar gesprochen, und die beiden hatten sich darauf geeinigt, dass drei Stunden ausreichten, um sowohl den Magen zufriedenzustellen als auch dem Geist der Vorschrift Genüge zu tun.
    Vater ist seiner Zeit überhaupt weit voraus, muss ich sagen. Er findet nichts dabei, wenn man das Abendmahl vor dem Altar der anglikanischen Kirche empfängt. Man muss deshalb nicht extra nach Hinley zur Kirche Mutter Gottes der sieben Schmerzen fahren.
    »Es ist unsere Pflicht und Schuldigkeit, ortsansässige Firmen zu bevorzugen«, lautete sein Spruch dazu.
    Da war vermutlich was dran.
    Wir würden pünktlich um acht zum Gottesdienst in unserer Bank sitzen und um elf noch einmal zur feierlichen Messe erscheinen, bei der sämtliche Register gezogen wurden: Chor, Orgel, die Psalmrezitationen mitsamt den Antworten der Gemeinde und eine Predigt, die sich gewaschen hatte, kurz gesagt: das volle Programm.
    Ich kramte die Aufnahme unter meinem Bett hervor, die ich aus Feelys Zimmer gemopst hatte: Griegs Klavierkonzert in a-Moll, das, laut Feely, den Sonnenschein und die Schatten der eisigen Fjorde Norwegens schildert, wo Eisbrocken groß wie Buckshaw abbrechen und ins Meer klatschen.
    Ich zog mein Grammofon mit der Kurbel auf, senkte die Nadel in die Rille der sich drehenden Schallplatte, schlüpfte ins Bett und zog mir die Decke bis zu den Ohren hoch, als die Musik einsetzte.
    Die Streicher der Londoner Philharmoniker sangen mich in den Schlaf, und noch ehe die Feder abgelaufen war, war ich für die Welt verloren.
    Ich träumte, ich sei auf dem Friedhof von St. Tankred, wo zwischen den Grabsteinen lauter Tische aufgestellt waren. An den Tischen saßen lauter Leute aus Bishop’s Lacey und Umgebung, und alle trugen seidene Harlekinkostüme mit Rautenmuster. Mit ihren leuchtend bunten Gewändern erinnerten sie an die Figuren auf den Kirchenfenstern.
    Vor jedem Spieler – oder Wettkandidaten, da war ich nicht sicher – lag das gleiche, ungeöffnete Puzzle, und hinter jedem Teilnehmer stand ein Schiedsrichter mit einer

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