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Flavia de Luce - Mord im Gurkenbeet - The Sweetness at the Bottom of the Pie

Titel: Flavia de Luce - Mord im Gurkenbeet - The Sweetness at the Bottom of the Pie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Bradley
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atmend auf die oberste Stufe.
    »Verflixt und zugenäht!«, fluchte ich. Es hallte erschreckend laut durch das Treppenhaus.
    »Heda!«, ertönte ein dumpfer Ruf, und ich hörte jemanden die Treppe hochstapfen.
    »Verflixt und zugenäht!«, wiederholte ich, diesmal ganz leise.
    »Wer ist da oben?«, wollte jemand wissen. Ich hielt mir den Mund zu, damit ich nicht versehentlich antwortete.
    Als ich dabei an meine Zähne kam, hatte ich einen Geistesblitz. Vater hatte schon immer gesagt, ich würde eines Tages noch mal froh über meine Zahnspange sein. Recht hatte er!
    Mit Daumen und Zeigefinger hebelte ich mir die Spange aus dem Gebiss, dann machte es Klick!, und das Ding fiel mir in die Hand.
    Die Schritte kamen unerbittlich näher und mussten schon bald die oberste Stufe erreicht haben, auf der ich vor der versperrten Tür hockte. Ich verdrehte den Draht zu einem ›L‹ mit einem Haken am Ende und steckte die ruinierte Zahnspange in das Schlüsselloch.
    Vater hätte mich mit der Reitpeitsche verdroschen, aber was blieb mir anderes übrig?
    Es war ein altes, nicht besonders kompliziertes Schloss. Ich würde es bestimmt knacken können, wenn ich nur genug Zeit zur Verfügung hätte!
    »Wer ist da?«, rief es. »Ich weiß, dass du da oben bist. Ich hör dich. Der Zutritt zum Turm ist verboten. Komm sofort runter, Junge.«
    Junge?, dachte ich. Gesehen hatte er mich demnach nicht.
    Ich stocherte mit dem Draht im Schloss herum und drehte
ihn nach links. Der Riegel glitt zurück, als wäre er eben erst frisch geölt worden. Ich schlüpfte durch die Tür und machte sie geräuschlos hinter mir zu. Sie wieder abzuschließen, schaffte ich leider nicht mehr. Außerdem hatte derjenige, der da die Treppe hochkam, garantiert einen Schlüssel.
    Um mich her war es finster wie im Kohlenkeller. Nicht einmal Fensterschlitze gab es hier.
    Die Schritte hielten vor der Tür an. Ich huschte leise bis zur Wand und drückte mich dagegen.
    »Wer ist da? Wer ist hier oben?« Dann wurde ein Schlüssel ins Schlüsselloch gesteckt und umgedreht, die Tür ging auf, und ein Mann streckte den Kopf herein.
    Der Strahl seiner Taschenlampe irrte hierhin und dorthin und beleuchtete ein Gewirr von Leitern, das sich nach oben hin im Dunkeln verlor. Der Mann richtete den Lichtstrahl auf jede Leiter und ließ ihn Sprosse für Sprosse nach oben wandern, bis das Licht ganz oben nichts mehr ausrichten konnte.
    Ich rührte mich nicht, blinzelte nicht einmal. Von dort aus, wo ich stand, konnte ich nur die Silhouette des Mannes in der Tür erkennen. Er hatte weißes Haar und einen Furcht einflö ßenden Schnurrbart. Wenn ich die Hand ausgestreckt hätte, hätte ich ihn anfassen können.
    Er blieb eine halbe Ewigkeit dort stehen.
    »Schon wieder diese blöden Ratten«, brummte er schließlich, dann knallte er die Tür zu und ich stand wieder allein im Dunkeln. Ein Schlüsselbund klirrte, und der Riegel rastete wieder ein.
    Ich war eingesperrt.
    Wahrscheinlich hätte ich mich bemerkbar machen und rufen sollen, aber ich dachte gar nicht daran. Ich war noch längst nicht mit meinem Latein am Ende. Im Gegenteil, mein Abenteuer fing gerade an, mir Spaß zu machen.
    Natürlich hätte ich das Schloss noch einmal knacken und mich die Treppe wieder hinunterschleichen können, aber dann
wäre ich dem Pförtner vermutlich geradewegs in die Arme gelaufen.
    Und da ich in der Turmkammer schließlich nicht überwintern konnte, führte der einzige Ausweg nach oben. Wie eine Schlafwandlerin setzte ich mit ausgestreckten Armen einen Fuß vor den anderen, bis meine Finger die nächstbeste Leiter streiften. Und schon ging’s hinauf.
    Eigentlich ist nichts dabei, im Dunkeln eine Leiter hochzuklettern, es hat sogar gewisse Vorteile, den Abgrund, der unter einem gähnt, nicht sehen zu können. Doch im Verlauf der Kletterpartie gewöhnten sich meine Augen immer mehr an die Dunkelheit, die eben doch nicht vollständig war. Winzige Fugen im Mauerwerk und im Dachstuhl ließen hier und dort nadelfeine Lichtstrahlen herein, sodass ich schon bald den Umriss der Leiter erkennen konnte, der sich schwarz gegen das graue Licht abhob.
    Am Ende der Sprossen stand ich auf einer kleinen Holzplattform wie ein Seemann in der Takelage. Links führte die nächste Leiter noch höher ins Halbdunkel hinauf.
    Ich rüttelte einmal kräftig daran. Obwohl sie beängstigend knarrte, schien sie einigermaßen stabil zu sein. Ich holte tief Luft, stieg auf die unterste Sprosse, und weiter ging’s.
    Kurz darauf

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