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Flavia de Luce - Mord im Gurkenbeet - The Sweetness at the Bottom of the Pie

Titel: Flavia de Luce - Mord im Gurkenbeet - The Sweetness at the Bottom of the Pie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Bradley
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über den unsichtbaren Dämon, der mir mittels einer nicht enden wollenden Abfolge von abgesperrten Türen, aufgeschürften Schienbeinen und zerschrammten Ellenbogen das Leben schwer machte.
    Ich stand schwerfällig auf und klopfte mir den Schmutz ab. Aber nicht nur mein Kleid war schmutzig, ich hatte es auch fertiggebracht, mir die linke Schuhsohle halb abzureißen. Wie ich das angestellt hatte, war leicht zu begreifen. Ich war an der scharfen Kante eines vorstehenden Ziegels hängen geblieben. Dabei hatte ich ihn aus seiner Verankerung gerissen. Jetzt lag er lose auf dem Dach und glich einer der Steintafeln, auf denen Gott Moses die Zehn Gebote überreicht hatte.
    Ich schiebe den Ziegel lieber wieder zurück, dachte ich, sonst tropft den Bewohnern von Anson House irgendwann der Regen auf den Kopf, und wer war dann wieder schuld? - Ich!
    Der Ziegel war schwerer, als er aussah. Ich musste mich hinknien, um ihn dorthin zurückzuschieben, wo er hingehörte. Vielleicht hatte er sich gedreht, vielleicht waren auch die benachbarten Ziegel nach unten gerutscht, wie auch immer, jedenfalls wollte das blöde Ding nicht mehr in die Lücke passen.
    Ich hätte natürlich in der Lücke umhertasten und feststellen können, ob dort irgendetwas klemmte, aber mir fielen die Spinnen und Skorpione ein, die sich mit Vorliebe in solchen lichtlosen Schlupfwinkeln aufhielten.
    Schließlich riss ich mich doch zusammen und griff beherzt hinein. Ganz hinten in der Lücke spürte ich etwas Weiches.
    Ich zog die Hand sofort zurück, beugte mich vor und spähte in den Zwischenraum. Außer Dunkelheit war nichts zu erkennen.
    Also langte ich in Gottes Namen noch einmal hinein und zupfte meinen Fund mit spitzen Fingern heraus.

    Es ging ganz leicht, und das weiche Etwas entfaltete sich dabei wie zuvor die Fahne, die jetzt über meinem Kopf wehte. Es war ein großes Stück abgewetzter, schwerer schwarzer Stoff. Der Umhang eines Internatslehrers. Und fest darin eingerollt, hoffnungslos zerknautscht, fand ich ein ebenfalls schwarzes quadratisches Barett.
    Mir war sofort klar wie Kloßbrühe, dass diese Kleidungsstücke irgendwie mit Mr Twinings Tod zusammenhingen. In welcher Hinsicht? Das würde ich noch herausfinden!
    Stimmt schon, ich hätte die Sachen dort auf dem Dach liegen lassen sollen. Ich hätte das nächstbeste Telefon aufsuchen und Inspektor Hewitt anrufen sollen. Stattdessen lautete mein nächster Gedanke: Wie komme ich ungesehen wieder weg aus Greyminster?
    Und, wie so oft, wenn man in der Klemme steckt, fiel mir auch gleich die Lösung ein.
    Ich schlüpfte in den schimmligen Talar, drückte das zerbeulte Barett einigermaßen zurecht, setzte es auf und flatterte wie eine große schwarze Fledermaus das Labyrinth wackliger Leitern hinunter, bis ich wieder vor der verschlossenen Tür stand.
    Der Dietrich, den ich aus meiner Zahnklammer gebogen hatte, musste seine Dienste noch einmal verrichten, und als ich den Draht in das Schlüsselloch steckte, richtete ich ein stummes Stoßgebet an den Gott, der für derlei Dinge zuständig sein mochte.
    Nach einigem Herumstochern, einem verbogenen Draht und etlichen mäßig derben Flüchen wurde mein Gebet schließlich erhört, und der Riegel rührte sich mit mürrischem Ächzen.
    Ehe ich »Los!« sagen konnte, war ich die Wendeltreppe hinunter, lauschte an der unteren Tür und linste durch einen Spalt in den langen Korridor. Der lag leer und schweigend da.
    Ich schob vorsichtig die Tür auf, schlüpfte aus dem Treppenhaus, marschierte forschen Schrittes an der Galerie der vermissten
und gefallenen Jungen und der Pförtnerloge vorbei und trat in den Sonnenschein hinaus.
    Draußen wimmelte es von Schülern, die miteinander schwatzten, herumlümmelten, umherschlenderten und Unfug trieben. Jetzt, da die Ferien zum Greifen nah waren, genossen sie die vorübergehende Freiheit der Pausen.
    Instinktiv nahm ich mit meinem Barett und dem Umhang eine gebückte Haltung ein und stahl mich über den Hof. Ob ich wohl auffallen würde? Selbstverständlich - für die wölfischen Schuljungen musste ich so etwas wie das verletzte Rentier am Schluss der Herde sein.
    Von wegen! Ich nahm die Schultern zurück und stürmte wie ein Schüler, der zu spät zum Hürdenlauf kommt, hoch erhobenen Kopfes in Richtung Straße davon. Hoffentlich fiel niemandem auf, dass ich unter dem Talar ein Kleid trug.
    Nein, niemand drehte auch nur den Kopf nach mir um.
    Je weiter ich den Pausenhof hinter mir ließ, desto sicherer fühlte ich mich,

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