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Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - Bradley, A: Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - The Weed that strings the Hangman's Bag

Titel: Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - Bradley, A: Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - The Weed that strings the Hangman's Bag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Bradley
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Schicksal gepackt und in einem unvorstellbar fernen Land von einem Berg geschleudert worden war. Es kam mir immer vor, als wären alle viel glücklicher, wenn Harriet wieder am Leben wäre und sie mich dafür los wären.
    Diese Gedanken wirbelten mir, wie auch manch andere, im Kopf herum wie Herbstblätter in einem Mühlbach, als ich auf der Landstraße in Richtung Dorf ging. Ohne ihnen einen Blick zu gönnen, war ich an den steinernen Greifen auf dem Mulford-Tor vorbeigegangen, und Bishop’s Lacey kam bereits in Sicht.
    Als ich so deprimiert meines Weges schlurfte (na schön, ich geb’s zu - ich war sauer auf Tante Felicity, weil sie Dogger so vorgeführt hatte), steckte ich die Hand in die Tasche und spürte dort etwas Rundes, Metallisches, das vorher noch nicht da gewesen war - eine Münze.
    »Nanu!«, sagte ich.
    Ich zog die Münze heraus. Schon auf den ersten Blick begriff ich, worum es sich handelte und wie es in meine Tasche geraten war. Ich drehte die Münze um und musterte die Rückseite.
    Ja, daran bestand nicht der allerkleinste Zweifel.

24
    V on der Hauptstraße aus sah die St.-Nicholas-Teestube aus, als sei sie einer Postkarte aus dem guten alten England entsprungen. In den Räumen im ersten Stock mit ihren Erkerfenstern und Butzenscheiben hatten schon die Großeltern des heutigen Mr Sowbell gewohnt, gleich über der ehemaligen Sarg- und Möbeltischlerei.
    Die einst im weiten Umkreis für den satten Glanz ihrer schwarzen Oberflächen und den Schimmer ihrer silbernen Zierknäufe und Schubladengriffe bekannten Tische, Anrichten und Kommoden von Sowbell waren inzwischen längst aus der Mode gekommen und oft auf Nachlassversteigerungen zu finden, wo sie meistens einsam und missmutig in einer Auffahrt standen, bis sie am Abend für wenig mehr als ein, zwei Pfund losgeschlagen wurden.
    »An skrupellose Fälscher, die mit den Zierleisten Woolworth-Kommoden als Antiquitäten tarnen«, wie Daffy behauptete.
    Mir fiel auf, dass heute im Schaufenster des Bestattungsinstituts an einem umgekehrten »V« aus schwarzer Schnur eine Pappuhr hing. Der Minutenzeiger zeigte auf zwölf, der Stundenzeiger fehlte. Mr Sowbell war offensichtlich bei seinem Nachmittagsbierchen im Dreizehn Erpel.
    Ich überquerte die Straße, öffnete die Tür zur Teestube und trat ein. Rechterhand befand sich eine Treppe mit einem Schild, auf dem eine blaue gemalte Hand nach oben zeigte: Teestube im 1. Stock. Neben der Treppe führte ein düsterer schmaler
Gang tiefer in das Gebäude hinein. An der Wand wies eine zweite, diesmal rote Hand diskret auf etwas anderes hin: Herren- und Damen-WC.
    Ich wusste, dass die Teestube und das Bestattungsunternehmen sich das WC teilten. Eines Nachmittags hatte Feely darauf bestanden, uns hierherzuschleppen, und ich hatte nicht schlecht über drei schwarz gekleidete und schwarz verschleierte Damen gestaunt, die vor der Toilettentür munter drauflosschwatzten wie ein Schwarm Krähen mit Pferdegebiss, um kurz darauf wieder gramvolle Mienen aufzusetzen und in Mr Sowbells Geschäftsräume zurückzukehren. Die Tür, durch die sie verschwunden waren, führte geradewegs in die Räumlichkeiten des Bestatters.
    Ich irrte mich nicht! Ein diskretes »Sowbell & Sons«-Schild schien die Trauernden mit goldenen Buchstaben auf dunklem Lack höflich zu ermahnen, sich nicht versehentlich in den Flur der Teestube zu verirren, nachdem sie sich »die Flossen eingeseift hatten«, wie Mrs Mullet sich ausdrückte.
    Die schwarz getäfelte Tür schwang geräuschlos auf.
    Ich stand in einem düsteren viktorianischen Salon mit schwarz-pastellgelb beflockter Tapete. An drei Wänden standen spillerige Holzstühle, in der Mitte prangte ein kleiner runder Tisch mit einem mickrigen Sträußchen Schleierkraut. Es roch muffig und irgendwie chemisch.
    Die gegenüberliegende Wand war kahl, bis auf einen dunkel gerahmten Druck von Millets Angelusläuten, auf dem ein Mann und eine Frau, offensichtlich flämische Bauern, bei Sonnenuntergang auf einem Feld stehen. Die großen, abgearbeiteten Hände der Frau sind im Gebet vor der Brust gefaltet. Der Mann hat seinen Hut abgenommen und hält ihn verlegen in den Händen. Er hat seine Heugabel in die lockere Erde gesteckt. Über dem mit gesenktem Blick dastehenden Paar versammeln sich Krähen wie Geier. Auf der Erde zwischen ihnen liegt ein halb voller Weidenkorb.

    Max Wight hatte mir erzählt, dass sich die Drucke von Millets Bild, als es in Amerika ausgestellt wurde, im besten Falle schleppend

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