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Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - Bradley, A: Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - The Weed that strings the Hangman's Bag

Titel: Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - Bradley, A: Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - The Weed that strings the Hangman's Bag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Bradley
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Handgelenke geziert. Um es höflich auszudrücken: Die Frau war so schlicht wie Graubrot.
    Ich spitzte meinen Bleistift und fügte meiner Liste sechs Namen hinzu: Mutt Wilmott, Grace Ingleby, Dieter Schrantz, Sally Straw, die verrückte Meg (Daffy hatte mir zwar erzählt, Meg heiße mit Nachnamen Grosvenor, aber ich glaubte ihr nicht) … und Cynthia Richardson.
    Ich zog einen Strich und schrieb mit großen Druckbuchstaben darunter: AFFÄREN - ÜBERPRÜFEN!!!
    Auch wenn ich eine vage Ahnung davon hatte, was zwischen zwei Menschen vor sich ging, die eine Affäre miteinander hatten, wusste ich zu wenig über die technischen Einzelheiten. Einmal, Vater war für mehrere Tage zu einer Briefmarkenausstellung nach Glasgow gefahren, hatte Daffy darauf bestanden, uns zu jeder Mahlzeit - Frühstück, Mittagessen, Nachmittagstee und Abendessen - aus Madame Bovary vorzulesen. Sie kam sogar bis zum Ende, kurz bevor Vater am dritten Tag zur Tür hereinkam.
    Damals war ich vor Langeweile fast gestorben, aber inzwischen ist es eins meiner Lieblingsbücher, weil es in den letzten Kapiteln so ziemlich die schönste und spannendste Schilderung des Todes durch Arsen in der ganzen Literatur enthält. Besonders gut hatte mir gefallen, wie sich die vergiftete Emma »wie ein galvanisierter Leichnam aufgerichtet« hatte. Doch
jetzt ging mir auf, dass ich dermaßen begeistert von Madame Bovarys Selbstmord gewesen war, dass mir die Feinheiten ihrer zahlreichen Affären glatt entgangen waren. Ich erinnerte mich nur noch, dass Emma Bovary, als sie mit Rodolphe inmitten von Entengrütze und Fröschen am Lilienteich weilte, sich ihm unter Tränen, ihr Gesicht verbergend und mit seligem Erschauern, »hingab«.
    Was immer das heißen mochte. Ich musste Dogger danach fragen.
     
    »Sag mal, Dogger …«, setzte ich an, als ich ihn endlich aufgetrieben hatte. Er wollte sich im Gemüsegarten eben mit einer langstieligen Hacke das Unkraut vornehmen. »Hast du schon mal Madame Bovary gelesen?«
    Dogger hielt inne und holte ein Taschentuch aus der Brusttasche seines Overalls. Ehe er antwortete, wischte er sich das Gesicht gründlich ab.
    »Das ist doch ein französischer Roman, oder?«, fragte er.
    »Flaubert.«
    »Ach ja.« Dogger steckte das Taschentuch wieder ein. »In dem Buch ist jemand so unglücklich, dass er Arsen schluckt.«
    »Aus einem blauen Fläschchen!« Ich hüpfte vor Aufregung von einem Fuß auf den anderen.
    »Richtig«, pflichtete Dogger mir bei, »aus einem blauen Fläschchen. Und zwar ist das Fläschchen nicht deshalb blau, weil sich der Inhalt sonst zersetzt hätte oder oxidiert wäre, sondern vielmehr …«
    »… damit es nicht mit einer Flasche verwechselt wird, die eine harmlose Substanz enthält.«
    »Stimmt.«
    »Emma Bovary schluckt das Zeug, weil sie etliche unglückliche Affären hinter sich hat«, sagte ich.
    Dogger kratzte sich mit der Hacke einen Erdklumpen von der Schuhsohle.

    »Sie hatte eine Affäre mit einem Mann namens Rodolphe, und mit einem anderen, der Léon hieß. Natürlich nicht gleichzeitig.«
    »Natürlich nicht«, sagte Dogger, aber mehr sagte er nicht.
    »Was gehört eigentlich alles zu so einer Affäre?«, fragte ich beiläufig, damit Dogger annehmen sollte, dass ich die Antwort längst kannte.
    Ich dachte, ich könnte das Schweigen länger aushalten als er, dabei wusste ich doch, dass es blödsinnig war, drauf zu warten, dass Dogger etwas sagte, wenn er nicht wollte.
    »Was meint Flaubert«, fragte ich schließlich, »wenn er schreibt, dass Madame Bovary sich Rodolphe hingab?«
    »Damit meinte er«, antwortete Dogger unversehens bereitwillig, »dass sie die allerbesten Freunde wurden. Richtig dicke Freunde.«
    »Ach so. Das hab ich mir schon gedacht.«
    »Dogger! Kommen Sie sofort hoch, bevor ich mir noch ernsthaft weh tue!«, trompetete Tante Felicity aus einem der Fenster über uns.
    »Schon unterwegs, Miss Felicity«, rief Dogger. Zu mir sagte er leise: »Miss Felicity braucht Hilfe mit ihrem Gepäck.«
    »Ihrem Gepäck?«, fragte ich. »Reist sie wieder ab?«
    Dogger nickte gleichmütig.
    »Käsekuchen!«, rief ich aus. Es handelte sich um ein geheimes Dankgebet, dessen Bedeutung nur Gott und ich kannten.
     
    Tante Felicity hatte schon fast die Westtreppe erreicht. Sie war von Kopf bis Fuß in Leinen gekleidet, was eher an eine Afrikaexpedition denken ließ als an die unzivilisierte Wildnis von Hampstead. Clarence Mundys Taxi stand vor der Tür, und Dogger half Bert dabei, Tante Felicitys Frachtgut

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