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Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - Bradley, A: Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - The Weed that strings the Hangman's Bag

Titel: Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - Bradley, A: Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - The Weed that strings the Hangman's Bag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Bradley
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verkauften, bis jemand auf den Gedanken kam, den Titel von › Angelusläuten ‹ in › Kinderbegräbnis ‹ abzuändern.
    Vermutlich wurden die Särge üblicherweise unter diesem Druck abgestellt. Da die Stelle leer war, lag es nahe, anzunehmen, dass Ruperts Leiche, falls sie überhaupt noch hier war, in einem anderen Raum untergebracht war.
    Rechts von mir stand ein L-förmiger Wandschirm, hinter dem sich eine weitere Tür befinden musste.
    Ich spähte um den Wandschirm herum und erblickte einen Raum, der dem vorderen Raum glich wie ein Ei dem anderen. Der einzige erkennbare Unterschied bestand darin, dass hier die Tapete schwarz und pastellrosa beflockt und der Druck an der Wand eine Reproduktion von Holman Hunts Das Licht der Welt war, ein Bild, auf dem Jesus auf einer Türschwelle steht und, wie Diogenes, mit der Laterne in der Hand einen anständigen Menschen sucht.
    Unter dem dunkel gerahmten Bild stand ein Sarg auf einfachen Holzböcken.
    Ich schlich auf Zehenspitzen näher und hielt dabei die Ohren gespitzt, damit mir nicht das leiseste Geräusch entging.
    Dann ließ ich die Finger über das auf Hochglanz polierte Holz gleiten, etwa so, wie ein Pianist über den Klavierdeckel streicht, ehe er ihn aufklappt. Ich schob die Daumen unter den Deckel und spürte, wie er sich ein wenig hob.
    Glück gehabt! Der Sarg war noch nicht zugeschraubt. Ich klappte den Deckel noch ein Stück weiter auf und schaute hinein.
    Da lag Rupert, wie eine Puppe in einer Geschenkschachtel. Zu seinen Lebzeiten hatte er aufgrund seiner Persönlichkeit viel größer gewirkt. Ich hatte ganz vergessen, wie klein er eigentlich war.

    Ob ich mich gruselte? Eigentlich nicht. Seit ich einen Toten im Gemüsegarten von Buckshaw entdeckt hatte, war ich vom Tod geradezu fasziniert, wobei mein Schwerpunkt auf den chemischen Vorgängen bei der Zersetzung lag.
    Tatsächlich hatte ich schon angefangen, den Entwurf für einen maßgeblichen Aufsatz niederzuschreiben, den ich De Luce über Dekomposition betiteln wollte und worin ich Schritt für Schritt den Prozess des Zerfalls menschlicher Leichname beschreiben wollte.
    Ist es nicht unglaublich spannend, dass innerhalb weniger Minuten nach Eintritt des Todes die Organe des Körpers aus Mangel an Sauerstoff damit beginnen, sich selbst zu verdauen? Der Ammoniakgehalt steigt an, und mithilfe fleißiger Bakterien wird Methan (besser bekannt als Sumpfgas) produziert, ebenso Schwefelwasserstoff, Kohlendioxid und Merkaptan, ein faszinierender Schwefelalkohol, in dessen Struktur Schwefel die Stelle des Sauerstoffs einnimmt - daher der faulige Geruch.
    Wie seltsam ist es doch, dachte ich, dass wir Menschen Millionen Jahre gebraucht haben, aus den Sümpfen emporzukriechen, nur um in einem kurzen Augenblick des Todes den Abhang wieder hinunterzuschliddern.
    Mein feiner Geruchssinn verriet mir, dass Mr Sowbell für Rupert eine Einbalsamierungsflüssigkeit auf Formalinbasis benutzt hatte (höchstwahrscheinlich eine zweiprozentige Formaldehydlösung, mit der leisen Note von … Chloroform, sagte mir meine Nase). Nach dem leichten Grünstich von Ruperts Nasenspitze zu schließen hatte der Bestatter an den Zutaten gespart. Man konnte nur hoffen, dass die Aufbahrung bei der BBC mit geschlossenem Sarg stattfinden würde.
    Aber jetzt Beeilung, dachte ich, Mr Sowbell kann jeden Augenblick wiederkommen.
    Ruperts bleiche Hände waren über dem Bauch gefaltet, die rechte Hand lag oben. Ich nahm sie bei den Fingern und hob
sie hoch, was sich anfühlte, als holte man aneinandergeklebte Würstchen aus dem Eisfach.
    Zu meiner Verwunderung hob sich die linke Hand gleich mit, und ich stellte fest, dass die Hände schlauerweise aneinandergenäht waren. Indem ich die kalten Hände ein wenig verdrehte und mich bückte, um besser drunterspähen zu können, entdeckte ich, wonach ich gesucht hatte: Von der Wurzel des linken Daumens bis zu den Spitzen von Zeige- und Mittelfinger verlief ein geschwärztes Band.
    Mr Sowbells Einbalsamierungskünsten zum Trotz roch Rupert immer noch ziemlich angekokelt. Ich sah auf den ersten Blick, dass die Verbrennung auf seiner linken Handfläche genauso breit war wie der Hebel, mit dem Galligantus bedient worden war.
    Eine Diele knarrte.
    Als ich den Sarg geschlossen hatte, ging die Tür auf und Mr Sowbell trat ein. Ich hatte ihn nicht kommen hören.
    Da ich immer noch halb gebückt dastand, konnte ich mich jetzt langsam aufrichten.
    »Amen!«, sagte ich und bekreuzigte mich übertrieben.
    »Was ist

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