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Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - Bradley, A: Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - The Weed that strings the Hangman's Bag

Titel: Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - Bradley, A: Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - The Weed that strings the Hangman's Bag
Autoren: Alan Bradley
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uns Jack und die Bohnenranke an, als hinter der Bühne plötzlich etwas schiefgeht. Rupert stürzt tot auf die Bretter, und schon nach wenigen Minuten gelangst du zu der Überzeugung, wir seien Zeugen eines Mordes geworden. Woher hast du das gewusst? Woher wusstest du, dass es kein Unfall war?«
    Diese Frage nagte schon eine ganze Weile in meinem Unterbewusstsein herum wie eine Ratte an einem Schiffstau, aber bis zu diesem Augenblick war ich mir dessen nicht bewusst gewesen.
    Bevor er antwortete, hauchte Dogger auf den Spann von
Vaters halbhohem Stiefel und rieb noch ein letztes Mal liebevoll mit seinem Hemdsärmel über die schwarz glänzende Oberfläche.
    »Die Umstände sprachen einfach dagegen«, sagte er dann. »Mr Porson war ein Perfektionist. Er hat seine ganze Ausrüstung selbst angefertigt. Ein Puppenspieler arbeitet im Dunkeln. Da gibt es kein Vertun. Ein durchgescheuertes Stromkabel ist da völlig undenkbar.«
    »Das Kabel war nicht durchgescheuert. Ich hab’s gesehen, als ich mit Inspektor Hewitt hinter der Bühne war. Jemand hat die Isolierung entfernt.«
    »Alles andere hätte mich auch sehr gewundert.«
    »Herzlichen Glückwunsch zu deiner brillanten Schlussfolgerung«, entgegnete ich, »auch wenn ich selbst auf diese Weise nicht darauf gekommen wäre.«
    Ich war tatsächlich nicht darauf gekommen, und zwar deshalb, weil der weibliche Verstand anders arbeitet.
    Aus der Vogelschau gleicht der männliche Verstand vermutlich den Kanälen Europas, die Gedanken werden von schwerfälligen Brauereipferden auf viel genutzten Treidelpfaden gezogen. Wind und Wetter zum Trotz erreichen sie stets ihr Ziel, indem sie einer simplen Folge miteinander verbundener Linien folgen.
    Der weibliche Verstand hingegen scheint mir, schon aufgrund meiner begrenzten Erfahrungen, eher mit einem riesigen brodelnden Sumpf vergleichbar, einem Sumpf, der sofort spürt, wenn ein Fremder irgendwo - und sei es meilenweit entfernt - auch nur den Zeh hineintaucht. Manche Leute, die über dieses Phänomen reden (und die meistens keinen blassen Schimmer davon haben), nennen es »weibliche Intuition«.
    Ich war zwar zum gleichen Schluss wie Dogger gekommen, aber auf einem ganz anderen Weg.
    Zunächst einmal hatte ich, obwohl es auf der Hand lag, dass Rupert ermordet wurde, weil er einer Frau etwas angetan
hatte, praktisch vom Zeitpunkt seines Todes an gewusst, dass Nialla nicht die Mörderin war.
    »Als Rupert auf die Bühne stürzte«, sagte ich, »ist Nialla aufgesprungen und wollte hinlaufen. Ihr erster, spontaner Impuls war der, ihm zu helfen.«
    Dogger rieb sich das Kinn und nickte.
    »Aber als sie den Rauch und die Funken gesehen hat, hat sie sich gezwungen, stehenzubleiben«, fuhr ich fort. »Sie hat begriffen, dass sie womöglich selber tot umfällt, wenn sie ihn anfasst. Dass sie dann selber stirbt … und das Baby gleich mit.«
    »Stimmt«, sagte Dogger. »Das ist mir auch aufgefallen.«
    »Und deshalb ist Nialla nicht die Mörderin.«
    »Ich glaube auch, dass du sie guten Gewissens von deiner Liste streichen kannst«, pflichtete mir Dogger bei.
     
    Erst als ich schon auf halben Weg zur Culverhouse Farm war, merkte ich, wie müde ich war. Ich war schon vor Tau und Tag aus den Federn gestiegen und die ganze Zeit auf Hochtouren gelaufen. Aber ich musste mich ranhalten: Wenn ich nicht vor Inspektor Hewitt auf der Farm ankam, würde ich die schaurigen Einzelheiten erst erfahren, wenn sie in der News of the World abgedruckt waren.
    Ich hatte beschlossen, diesmal nicht den Fluss hinter der Kirche zu überqueren, sondern mich dem Hof auf der Straße nach Hinley von Westen zu nähern. So konnte ich die erhöhte Lage ausnutzen, das ganze Gelände überblicken und trotzdem im Schutz des Gibbet Wood bleiben. Jetzt, da sich die Schlinge sozusagen zuzog, hatte ich keine Lust, in den Hinterhalt eines kaltblütigen Mörders zu geraten.
    Doch je länger ich die mit Kalkstaub bedeckte Straße entlanglief, desto mehr kam es mir vor, als hätte sich mein Blut in Schlamm verwandelt und meine Schuhe in Blei. Unter anderen Umständen wäre ich wahrscheinlich in irgendein Gebüsch gekrochen und hätte dort ein bisschen geschlafen, aber
das war ausgeschlossen. Die Zeit lief mir davon, und wie Vater es gern ausdrückte: »Müdigkeit ist die Ausrede der Kleinmütigen.«
    Während ich dem Wind lauschte, der in den Wipfeln von Gibbet Wood seufzte und raunte, ertappte ich mich dabei, dass ich fast hoffte, die verrückte Meg würde mir in den Weg springen und
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