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Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - Bradley, A: Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - The Weed that strings the Hangman's Bag

Titel: Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - Bradley, A: Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - The Weed that strings the Hangman's Bag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Bradley
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ausgedrückt) ins Leere. Hinter welcher Fensterhöhle mochte Robins Zimmer sein? Welches Fenster hatte sein Gesichtchen vor jenem unseligen Montag im September 1945 eingerahmt, an dem ein Strick seinem kurzen Leben ein jähes Ende setzte?
    Ich klopfte eher pro forma an und wartete respektvolle dreißig Sekunden ab. Dann drehte ich den Knauf und trat ein.
    »Mrs Ingleby?«, rief ich. »Mr Ingleby? Ich bin’s, Flavia. Ich wollte fragen, ob Sie vielleicht ein paar besonders große Hühnereier haben.«
    Ich rechnete nicht mit einer Antwort und bekam auch keine. Gordon Ingleby hatte viel zu viel zu tun, um im Haus herumzulungern, solange es draußen noch nicht stockfinster war, und Grace … tja, Grace war entweder im Taubenturm oder
streunte durch die Hügel. Die neugierige Mrs Mullet hatte mich mal gefragt, ob ich ihr bei meinen Streifzügen durch die Gemarkung nicht schon begegnet sei.
    »Diese Grace Ingleby ist eine wunderliche Person«, hatte sie gemeint. »Meine Freundin Edith - ich meine Edith Crowly, die vor ihrer Heirat Edith Fisher hieß -, also diese Edith ist mal zu Fuß zu ihrer Chorprobe in Nether Stowell gegangen - die Arme hatte nämlich den Bus verpasst -, und da hat sie gesehen, wie Grace Ingleby ganz unten an der Biddy’s Lane, die irgendwo in die Hügel und dann nicht mehr weiterführt, aus einem Wäldchen rausgekommen ist.
    ›Grace!‹, hat sie gerufen. ›Huhuu, Grace Ingleby!‹, aber Grace hat sich rasch über einen Zauntritt geschlängelt - genau so hat sie es gesagt: ›über einen Zauntritt geschlängelt‹, falls du dir das vorstellen kannst -, und bis sie unten war, war Grace längst weg. ›Verweht wie ein Atemwölkchen im Dezember‹, hat Edith sich ausgedrückt.«
    Wenn es um Dorftratsch ging, war Mrs M so unfehlbar wie Papst Pius IX.
    Ich ging langsam durch den Flur und war mir ziemlich sicher, dass ich allein im Haus war. Am Ende des Flurs, neben einem runden Fenster, tickte eine Standuhr bedächtig vor sich hin. Es war das einzige Geräusch in dem ansonsten totenstillen Bauernhaus.
    Ich spähte in alle Zimmer: Wohnzimmer, Toilette, Küche, Speisekammer …
    Neben der Uhr führten zwei Stufen zu einem kleinen quadratischen Absatz, und als ich um die Ecke spähte, sah ich, dass von dort aus eine schmale Treppe in den ersten Stock hochführte.
    Unter die Treppe war ein Schrank gebaut. Auf der aus Brettern schräg zugeschnittenen Tür prangte ein Knauf aus grünweißem Porzellan, der nur von der Firma Wedgwood stammen konnte. Den Schrank würde ich mir später vornehmen.

    Beim Hochgehen gab jede Treppenstufe ein anderes Knarren von sich. Als würde man nacheinander lauter alte Sargdeckel aufklappen, dachte ich mit wohligem Gruseln.
    Ganz ruhig, Flave, altes Mädchen. Jetzt Schiss zu kriegen, bringt gar nichts.
    Oben kam ich auf einem zweiten kleinen Absatz an, von dem aus im rechten Winkel drei weitere Stufen zum oberen Flur führten.
    Es lag auf der Hand, dass alle Zimmer hier oben Schlafzimmer waren. Ich täuschte mich nicht. Ein flüchtiger Blick in die beiden ersten Räume offenbarte kalte, spartanisch eingerichtete Kammern mit jeweils einem Einzelbett, einem Waschbecken, einem Kleiderschrank und sonst nichts.
    Das große Schlafzimmer auf der Stirnseite des Hauses gehörte eindeutig Gordon und Grace. Abgesehen von einer Doppelkommode und einem Ehebett mit einer schäbigen Steppdecke war dieses Zimmer so kahl und abweisend wie die beiden anderen.
    Ich zog die Kommodenschubladen auf: auf Gordons Seite Socken, Unterwäsche, eine Armbanduhr ohne Band und ein speckiges, abgegriffenes Kartenspiel mit dem Wappen der Scots Greys drauf, des Kavallerie-Regiments der »königlichschottisch Grauen«; auf Graces Seite Schlüpfer, Unterröcke, eine Flasche mit rezeptpflichtigen Schlafampullen (mein alter Freund Chloralhydrat, wie mir gleich auffiel: C 2 H 3 Cl 3 O 2 - ein starkes Schlafmittel, das, wenn man es amerikanischen Gangstern in den Drink kippt, »Mickey Finn« genannt wird. In England wurde es von Landärzten überdrehten Hausfrauen verschrieben und hieß: »Etwas, das Ihnen beim Schlafen hilft«).
    Ich konnte mir ein Lächeln nicht verkneifen, als ich an die Zeiten dachte, als ich unter Verwendung von kaum mehr als Alkohol, Toilettenputzmittel und einer Flasche Chlorbleiche eine Dosis dieses Stoffes hergestellt hatte und ihn anschließend in einem präparierten Apfel Phoebe Snow verpasst hatte, einer
preisgekrönten Sau, die unserem Nachbarn Max Wight gehörte. Phoebe hatte fünf Tage

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