Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - Bradley, A: Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - The Weed that strings the Hangman's Bag

Titel: Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - Bradley, A: Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - The Weed that strings the Hangman's Bag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Bradley
Vom Netzwerk:
und siebzehn Stunden am Stück geschlafen, und eine Zeitlang war »Das wundersame schlafende Schwein« das achte Wunder der landwirtschaftlichen Welt Großbritanniens gewesen. Max hatte Phoebe gnädigerweise für das Fest von St. Tankred ausgeliehen, wo man für einen Sixpence pro Kopf zuschauen konnte, wie die Sau auf der Ladefläche eines Lasters mit der Aufschrift »Dornröschen« seelenruhig schnarchte. Sie hatte dem Spendensäckel für die neuen Chorhemden fast fünf Pfund eingebracht.
    Seufzend machte ich mich wieder an die Arbeit.
    Ganz hinten in Graces Schublade lag unter einem schmutzigen Leinentaschentuch eine zerlesene Bibel. Auf dem Vorsatzblatt stand: »Eigentum der Pfarrkirche St. Tankred, Bishop’s Lacey.«
    Als ich die Bibel wieder zurücklegte, fiel ein Zettel heraus und flatterte zu Boden. Ich hob ihn mit den Fingernägeln auf und sah mich höllisch vor, ja keine Fingerabdrücke zu hinterlassen.
    Auf dem Zettel stand mit violetter Tinte: Liebe Grace - bitte ruf mich an, wenn du wieder einmal meinen Trost brauchst. Die Unterschrift lautete: Denwyn.
    Denwyn Richardson - der Vikar. Den die verrückte Meg unweit von hier nackt im Gibbet Wood hatte tanzen sehen.
    Ich steckte das Beweisstück ein.
    Blieb nur noch das kleine Zimmer auf der Rückseite des Hauses. Robins Zimmer. Es musste Robins Zimmer sein. Ich überquerte den Treppenabsatz und blieb vor der geschlossenen Tür stehen. Erst jetzt befiel mich eine leise Bangigkeit. Wenn Gordon oder Grace nun plötzlich ins Haus und die Treppe hochgestürmt kamen? Wie sollte ich ihnen erklären, dass ich in ihren Privaträumen herumschnüffelte?
    Ich legte lauschend das Ohr an die Tür. Kein Mucks war zu hören.

    Ich betätigte den Türknauf und trat ein.
    Wie vermutet, war es Robins Zimmer, aber es war das Zimmer eines kleinen Jungen, der schon seit fünf Jahren tot war: ein rührend kleines Bett, gefaltete Decken, ein leerer Kleiderschrank und Linoleum auf dem Fußboden. Kein Altar, keine Kerzen, keine gerahmten Bilder des Verstorbenen auf einem Schaukelpferd oder kopfüber im Apfelbaum hängend. Wahrlich eine bittere Enttäuschung!
    Das Zimmer war so nackt und kahl wie van Goghs Schlafzimmer in Arles, nur nicht so anheimelnd. Es war so unpersönlich wie der Wintermond.
    Ein kurzer Blick genügte mir. Ich ging wieder hinaus und machte die Tür respektvoll - fast zärtlich - hinter mir zu.
    Dann hörte ich unten Schritte.
    Was sollte ich tun? Verschiedene Möglichkeiten schossen mir durch den Kopf: Ich könnte tränenüberströmt die Treppe hinunterstürmen und so tun, als hätte ich mich beim Schlafwandeln verlaufen; ich könnte einen Nervenzusammenbruch vortäuschen und so tun, als wüsste ich nicht, wo ich mich befand; ich könnte behaupten, ich hätte vom Hof aus ein Gesicht in einem der oberen Fenster gesehen, jemanden, der mich mit gekrümmtem Zeigefinger hochgewinkt hätte, worauf ich gedacht hätte, Grace Ingleby sei in Not.
    So interessant diese Möglichkeiten auch waren, sie würden alle gewisse Folgen nach sich ziehen, und wenn ich zu diesem Zeitpunkt etwas überhaupt nicht gebrauchen konnte, dann waren es weitere Komplikationen in meinem Leben. Nein, dachte ich, ich schleiche mich lieber nach unten und hoffe einfach, dass mich keiner erwischt.
    Aber diese Idee hatte sich gleich wieder erledigt. Kaum hatte ich den Fuß auf die oberste Stufe gesetzt, gab sie ein grässliches Knarren von sich.
    Vom Fuß der Treppe vernahm ich ein Flattern, als hätte sich ein großer Vogel ins Haus verirrt. Ich ging langsam, aber unbeirrt
weiter. Unten angekommen, streckte ich den Kopf um die Ecke und erschrak zu Tode.
    Ein heller Sonnenstrahl erleuchtete das Ende des Flurs, wo ein kleiner Junge in Gummistiefeln und Matrosenanzug soeben durch die offene Tür nach draußen verschwand.

27
    I ch war mir hundertprozentig sicher. Er musste die ganze Zeit in dem Verschlag unter der Treppe gehaust haben. Ich stand wie angewurzelt in der offenen Tür und sah mich einem Dilemma gegenüber. Was sollte ich tun? Ich wusste genau, dass ich das Bauernhaus, wenn ich es jetzt verließ, wahrscheinlich nie wieder würde betreten können. Da wagte ich am besten einen kurzen Blick hinter die schräge Tür, ehe ich die Verfolgung der Erscheinung im Matrosenanzug aufnahm.
    In dem düsteren Verschlag hing ein Stück Schnur von einer Glühbirne. Ich zog daran und der kleine Raum wurde von trübem Licht erhellt. Er war leer.
    Das heißt, leer bis auf ein Paar Kindergummistiefel, ganz

Weitere Kostenlose Bücher