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Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - Bradley, A: Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - The Weed that strings the Hangman's Bag

Titel: Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - Bradley, A: Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - The Weed that strings the Hangman's Bag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Bradley
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»›Geh wieder ins Haus, Robin‹, hab ich gerufen. ›Du darfst nicht hier rauf.‹ Aber er wollte nicht hören. Wie kleine Jungs nun mal sind. Manchmal hören sie überhaupt nicht.«
    Sie hustete wieder und schüttelte reuevoll den Kopf.
    »›Ich zeige dir einen Trick mit dem Seil!‹, hat er hochgerufen. Er hatte schon den ganzen Tag mit einem Strick, den er im Schuppen gefunden hatte, Cowboy gespielt.«
    Das hatte Sally auch erzählt. Demnach sagte Grace die Wahrheit.
    »Er kam hier hochgeklettert, ehe wir ihn daran hindern konnten. Rupert war außer sich. Er packte Robin und wollte ihn schütteln, aber er rutschte mit seiner Beinschiene auf den Steinen aus. Robin …«

    Jetzt liefen ihr stumme Tränen über das Gesicht.
    »… ist runtergefallen«, sagte ich. Man brauchte es nicht weiter auszumalen.
    »Robin ist runtergefallen«, wiederholte sie, und so, wie sie das Wort in die Länge zog, wurde es von den Ziegelmauern zurückgeworfen und hallte grausig in der runden Kammer nach, ein Klang, den ich niemals vergessen würde.
    Zugleich hatte ich eine Idee.
    »War es Rupert, der sich das mit dem Kasperletheater ausgedacht hat? Dass Robin die Szene mit Kasper und dem Henker nachgespielt hat?«
    »Wo hast du das denn her?«, wollte sie wissen, auf einmal wieder ganz klar. Ich sah wieder vor mir, wie die verrückte Meg bei unserer Begegnung im Wald gelächelt hatte. Die beiden Frauen hatten einiges gemeinsam.
    »Das haben Sie doch vor den Geschworenen bei der gerichtlichen Untersuchung ausgesagt«, antwortete ich. »Das ist allgemein bekannt.«
    Ich hielt es nicht für notwendig, ihr zu erzählen, dass ich es von Sally wusste.
    »Er hat mich dazu gezwungen.« Sie wischte sich mit dem Ärmel des Matrosenanzugs über die Augen. Mir fiel zum ersten Mal auf, wie ähnlich sie Robin sah. Nachdem es mir bewusst geworden war, fand ich die Ähnlichkeit geradezu unheimlich.
    »Rupert meinte, dass niemand draufkommen würde. Robin hatte sich bei dem Sturz das Genick gebrochen, und wenn wir … wenn ich …«
    Sie erschauerte krampfhaft am ganzen Leib.
    »Wenn ich nicht tat, was Rupert wollte, würde er Gordon erzählen, was sich zwischen uns abspielte. Ich wäre diejenige gewesen, die dafür hätte büßen müssen. Weißt du, Gordon sitzen die Fäuste ziemlich locker.«
    Wie Rupert. Ich hatte die Blutergüsse auf Niallas Arm
gesehen. Zwei jähzornige Männer, aber statt es unter sich auszumachen, hatten sie ihre Frauen als Punching-Bags benutzt.
    »Konnten Sie denn mit niemandem darüber reden? Mit dem Vikar beispielsweise?«
    Das schien etwas auszulösen, denn sie wurde von einem wahren Hustenanfall geschüttelt. Ich wartete, bis sie sich beruhigt hatte.
    »Der Vikar«, sagte sie nach Luft ringend. »Er war der Einzige, der mir geholfen hat, die letzten fünf Jahre zu ertragen.«
    »Wusste er das mit Robin?« Ich konnte es kaum glauben! »Geistliche unterliegen der Schweigepflicht«, sagte sie. »Er hat kein Sterbenswörtchen ausgeplaudert. Er hat versucht, einmal pro Woche auf unseren Hof zu kommen. Hat mir einfach nur zugehört. Der Mann ist ein Heiliger. Seine Frau hat natürlich geglaubt, er sei …«
    »In Sie verliebt.«
    Sie nickte, kniff die Augen zusammen und krümmte sich, als litte sie unsägliche Schmerzen.
    »Alles in Ordnung?«, fragte ich.
    »Warte kurz«, erwiderte sie. »Es geht gleich wieder.«
    Sie sackte vor meinen Augen zusammen, kippte vornüber in Richtung des Schachtes.
    Ich packte sie am Arm, und dabei fiel ein Fläschchen, das sie in der Faust gehalten hatte, auf den gemauerten Boden und sprang klirrend in eine Ecke, woraufhin eine Taube aufflatterte. Ich zog Grace in die Mitte der Nische und rettete das Fläschchen, das auf einem Haufen Stroh gelandet war, der mit Vogelmist verklebt war.
    Der Aufkleber verriet mir alles, was ich wissen musste. Kaliumcyanid, stand dort. Gift.
    Rattengift! Das Mittel war fast auf allen Bauernhöfen zu finden, insbesondere auf jenen Höfen, deren Hühnerhäuser Schädlinge anlockten. Eine der weißen Tabletten lag noch auf
dem Boden des Glases. Ich zog den Stöpsel ab und schnupperte. Nichts.
    Grace lag jetzt der Länge nach auf dem Boden. Sie zuckte und schlug um sich.
    Ich ließ mich auf die Knie nieder und schnupperte an ihren Lippen. Es roch nach Bittermandel.
    Ich wusste, dass die weißen Cyanid-Tabletten, sobald sie mit der Feuchtigkeit in ihrem Mund, ihrem Hals und ihrem Magen in Berührung kamen, Blausäure produzierten, ein toxisches Gas, das innerhalb von

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