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Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - Bradley, A: Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - The Weed that strings the Hangman's Bag

Titel: Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - Bradley, A: Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - The Weed that strings the Hangman's Bag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Bradley
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Geringsten verwundern, wenn der National Trust , der britische Denkmalschutz, bereits ein Auge auf ihn geworfen hätte.
    Dieses architektonische Meisterwerk verlieh der Culverhouse Farm ihren Namen, denn »Culverhouse« war ein altes Wort für Taubenschlag. Dieses Exemplar hier war ein hoher, aus alten, blassrosafarbenen Backsteinen gemauerter runder Turm, wobei keine zwei Steine gleich waren. Als er zu Königin Annes Zeiten erbaut wurde, hatte er Tauben für die Küche des Hofes geliefert. Damals hackte man den jungen Täubchen die Beine ab, damit sie in ihren Nestern hocken blieben und schön fett wurden (das hatte mir Mrs Mullet mal beim Kochen erzählt). Aber die Zeiten hatten sich geändert. Gordon Ingleby war ein begeisterter Taubenzüchter, und die Vögel, die in unserem Jahrhundert in dem Turm hausten, wurden eher verhätschelt als in den Kochtopf geworfen. An den Wochenenden verfrachtete Gordon seine Lieblinge per Zug zu irgendeinem weit entfernten Fliegenschiss auf der Landkarte Englands, wo sie freigelassen wurden und wieder zur Culverhouse Farm zurückflatterten. Dort wurden sie mit dem Anschlagen ausgetüftelter mechanischer Zeitmesser sowie jeder Menge Liebkosungen, Lobeshymnen und einem wahren Körnerfestmahl empfangen.
    So war es jedenfalls gewesen, bis man den kleinen Robin
Ingleby erhängt am morschen Galgen im Gibbet Wood gefunden hatte. Seit jenem Tag gab es, bis auf ein paar wilde Exemplare, keine Tauben mehr in der Culverhouse Farm.
    Der arme Robin wäre, wenn er nicht gestorben wäre, in meinem Alter gewesen, und ich konnte nie recht glauben, dass ein so junger Mensch schon tot sein konnte. Und doch war es so.
    Wer in einem Dorf lebt, weiß, dass alles, worüber offiziell nicht gesprochen wird, desto mehr Getuschel auslöst, und ich weiß noch gut, was damals alles an Klatsch und Tratsch in Bishop’s Lacey die Runde machte - Gerüchte, die so unablässig hin- und herschwappten wie die Gezeiten unter einem Bootssteg.
    »Der junge Robin Ingleby soll ja Selbstmord begangen haben.« - »I wo, seine Eltern haben ihn umgebracht!« - »Also, ich sage nur: Der Kleine ist bestimmt von Satanisten geopfert worden …«
    Die meisten dieser Hypothesen waren über Mrs Mullet zu mir durchgesickert, und jetzt, da ich auf den Taubenturm zuging und staunend zu den unzähligen Flugöffnungen emporspähte, fielen sie mir alle wieder ein.
    Wie jener »Lektor« genannte Mönch in mittelalterlichen Klöstern las uns auch Daffy bei den Mahlzeiten oft laut vor. Erst kürzlich waren wir in den Genuss von Savage Landors Beschreibung der »Türme des Schweigens« gekommen. In Durchs Land der tausend Rätsel berichtet der Autor, dass die persischen Parsen auf besagten Türmen ihre Verstorbenen in sitzender Haltung platzierten, mit einem Stock unter dem Kinn, damit sie nicht zusammensackten. Wenn sich Krähen auf den Leichen niederließen und den rechten Augapfel zuerst verspeisten, galt dies als Eintrittskarte fürs Paradies. Der linke war nicht ganz so vielversprechend.
    Das kam mir unwillkürlich wieder in den Sinn, wie auch die Schilderung der kreisrunden Taubentürme in Persien, von denen jeder in der Mitte eine tiefe Grube zum Sammeln des
Taubenmistes hatte, der dort der einzige Grund für die Haltung der Vögel war.
    Gab es etwa irgendeinen Zusammenhang zwischen Türmen, Vögeln, Tod und Verwesung? Als ich nachdenklich stehen blieb, hörte ich aus dem Turm ein eigentümliches Geräusch.
    Erst dachte ich, es wäre das Glucksen und Gurren der Tauben, hoch über mir im Taubenschlag. Oder war es der Wind?
    Das Geräusch hielt jedoch für beides zu lange an. Es schwoll an und wieder ab wie ein geisterhafter Fliegeralarm, dabei war es so leise, dass ich es mit meinen guten Ohren gerade noch hören konnte.
    Die schief in den Angeln hängende Tür zum Turm stand offen. Ich stellte fest, dass ich problemlos hindurchschlüpfen konnte. Schon war ich drinnen. Tock strich mir um die Füße, dann verschwand er auf der Jagd nach Mäusen im Dunkeln.
    Beißender Gestank schlug mir entgegen - der unverkennbar chemische Geruch von Taubenmist, welcher, wie der berühmte Humphry Davy mittels Destillation nachgewiesen hatte, Hirschhornsalz mit einem Rest von Kalziumkarbonat und gewöhnlichem Salz enthielt: eine Entdeckung, die ich schon einmal in meinem Labor auf Buckshaw auf ihre Richtigkeit überprüft hatte.
    Hoch über mir fielen zahllose schräge Sonnenstrahlen durch die offenen Luken und malten gelbe Flecken auf die gerundeten

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