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Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - Bradley, A: Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - The Weed that strings the Hangman's Bag

Titel: Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - Bradley, A: Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - The Weed that strings the Hangman's Bag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Bradley
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hervorragende Chemie-Bibliothek aus dem 19. Jahrhundert zur Verfügung stand, ganz zu schweigen von Onkel Tars Unterlagen, die es tonnenweise gab.
    Ich hatte einfach nur gehofft, die Marionettenaufführung, die in wenigen Stunden stattfinden würde, gar nicht erwähnen zu müssen. Aber wieder einmal triumphierte die Pflicht über das Vergnügen.
    »Daphne und Ophelia sind ins Dorf gegangen, um ein paar Briefe aufzugeben. Sie essen dort zu Mittag und wollen dann weiter zu den Fosters, um sich Sheilas Pony anzusehen.«
    Elender Mist! Diese hinterhältigen Schlangen!
    »Aber ich hab’s dem Vikar versprochen«, sagte ich. »Er rechnet mit mir. Sie wollen Geld sammeln, für irgendeinen guten Zweck … ach, ich weiß auch nicht. Aber wenn ich nicht bis neun in der Kirche bin, muss Cynthia - ich meine, Mrs Richardson - in ihrem Oxford herkommen und mich abholen.«

    Wie beabsichtigt, gab dieser ziemlich fiese Tiefschlag Vater zu denken.
    Seine Augenbrauen bewegten sich auf und ab, während er alle ihm zur Verfügung stehenden Alternativen durchging, und das waren nicht viele: entweder großzügig nachgeben oder es riskieren, den Zorn der Götter auf sich zu ziehen.
    »Du bist unzuverlässig, Flavia«, sagte er. »Fürchterlich unzuverlässig.«
    Recht hatte der Mann! Unzuverlässigkeit gehörte zu jenen Eigenschaften, die ich an mir am allermeisten mochte!
    Elfjährige sind nun mal unzuverlässig. Unsereiner ist dem Alter der kleinen niedlichen Püppchen entwachsen, einem Alter, in dem sich die Leute über einen beugen, einen in den Bauch pieken und schwachsinnige Laute wie »duzi-duzi« von sich geben - beim bloßen Gedanken kommt mir beinahe der Rindfleischextrakt wieder hoch. Und doch sind wir noch nicht in dem Alter, in dem uns irgendwer für erwachsen halten würde. Daraus folgt, dass wir unsichtbar sind - es sei denn, wir beschließen, nicht unsichtbar sein zu wollen.
    Momentan war ich leider ganz und gar nicht unsichtbar. Ich stand hilflos im Bannstrahl von Vaters zornigem Tigerblick. Ich klimperte zweimal mit den Augenlidern, gerade genug, um nicht respektlos zu erscheinen.
    Dann sah ich, dass er sich geschlagen gab, las es ohne jedes Vertun in seinen Augen.
    »Also gut«, sagte er, sogar in seiner Niederlage noch gnädig. »Lauf schon. Und richte dem Vikar schöne Grüße von mir aus.«
    Jetzt brat mir einer’nen Storch! Ich war frei! Einfach so!
     
    Als wir über den Asphalt dahinsausten, summten Gladys’ Reifen vernehmlich ein lustiges Liedchen.
    »Sommer ist ins Land gekommen« , trällerte ich schallend. »Kuckuck singe laut!«

    Eine grasende Jersey-Kuh hob den Kopf. Ich stellte mich auf die Pedale und machte im Vorüberfahren einen wackligen Knicks.
    Als ich vor dem Gemeindesaal abbremste, kamen Nialla und Rupert soeben durch das hohe Gras im hinteren Teil des Friedhofes gestapft.
    »Gut geschlafen?«, rief ich ihnen zu und winkte.
    »Wie tot«, antwortete Rupert.
    So sah Nialla auch aus. Ihr Haar hing in ungewaschenen Strähnen herunter, die dunklen Ringe unter den Augen erinnerten mich an etwas, woran ich lieber nicht denken wollte. Entweder war sie die ganze Nacht mit den Hexen von einem Kirchturm zum anderen geritten, oder sie und Rupert hatten sich übel gestritten.
    Aus ihrem verbissenen Schweigen schloss ich, dass Letzteres der Fall gewesen war.
    »Frischer Schinken … frische Eier«, redete Rupert munter weiter und trommelte sich wie Tarzan mit den Fäusten auf die Brust. »Damit lässt sich der neue Tag bestehen!«
    Ohne mir auch nur einen kurzen Blick zuzuwerfen, marschierte Nialla an mir vorbei in den Gemeindesaal - und dort auf die Damentoilette, wie ich vermutete.
    Natürlich folgte ich ihr.
    Nialla kniete auf dem Boden und rief erstickt »Ralf!« in die Porzellanschüssel, wobei sie gleichzeitig weinte und würgte. Ich blieb vor dem Waschbecken stehen und verriegelte die Tür von innen.
    »Du kriegst ein Baby, stimmt’s?«, fragte ich.
    Sie kam aus der Toilettenkabine und sah mich mit offenem Mund und kreidebleichem Gesicht an.
    »Woher weißt du das?«, keuchte sie.
    Beinahe hätte ich »Das sieht doch ein Blinder mit Krückstock« gesagt, wusste aber, dass jetzt nicht der rechte Augenblick für derlei Frechheiten war.

    »Ich habe mit dem Taschentuch, das du benutzt hast, einen Lysozym-Test durchgeführt.«
    Nialla wankte leicht; dann packte sie mich an den Schultern.
    »Kein Sterbenswörtchen, Flavia, niemandem gegenüber! Außer dir weiß es niemand.«
    »Nicht mal Rupert?«, fragte

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