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Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - Bradley, A: Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - The Weed that strings the Hangman's Bag

Titel: Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - Bradley, A: Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - The Weed that strings the Hangman's Bag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Bradley
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wach, starrte an die Decke und hörte zu, wie die Vorhänge im nächtlichen Windzug einander zuflüsterten.
    Auf Buckshaw vergeht die Zeit nicht wie an anderen Orten. Hier scheint sie irgendwie nicht von den ruhelosen Zahnrädchen der Standuhr in der Diele beherrscht zu werden, die sich wie Hamster in ihren Laufrädern gebärden, sondern vielmehr von jenem ehrwürdigen großen Uhrwerk, das pro Jahr nur eine einzige Umdrehung vollführt.
    Wie konnte ich nur so glücklich und zufrieden sein, fragte ich mich plötzlich, wenn sich jemand, den ich persönlich kannte, im dunklen Turm eines Taubenschlags verbarg?
    Was mich natürlich sofort an König Lear erinnerte. Vater hatte uns nach Stratford-upon-Avon mitgenommen, wo wir John Gielgud in der Titelrolle gesehen hatten, und obwohl Gielgud fabelhaft gewesen war, waren es doch die Worte des
armen Tom, des verrückten Bettlers auf der stürmischen Heide (der eigentlich der verkleidete Edgar ist), die mir immer noch in den Ohren klangen:
    Herr Roland kam zum finstern Turm,
Da rief er nun in arger Wut:
Ho, hum, ich wittre Menschenblut.
    »Hat Shakespeare das aus Jack und die Bohnenranke geklaut?«, hatte ich Daffy ins Ohr geflüstert. Oder hatte sich vielmehr das Märchen bei Shakespeare bedient? »Weder noch«, hatte Daffy mich aufgeklärt: Beide hatten sich an einem Stück von Thomas Nash bedient, das bereits 1596 aufgeführt wurde und somit davor entstanden war.
    Die gute alte Daffy. Manchmal konnte ich ihr fast verzeihen, dass sie mich hasste.
    Zunächst aber würde Rupert seine eigene Version von Jack und die Bohnenranke zum Besten geben, und das schon in wenigen Stunden. Vielleicht würde ich dabei ja mehr in Erfahrung bringen können.
    Bald darauf stand ich auf, zog mich an und schlich mich nach draußen.
     
    Ich traf Dogger im Garten an, wo er auf einer Bank oberhalb des künstlichen Teichs mit der künstlichen Insel mit der künstlichen Ruine saß.
    Er war genauso gekleidet wie am Abend zuvor: dunkler Anzug, blank geputzte Schuhe und eine Krawatte, die Eingeweihten gegenüber höchstwahrscheinlich Bände gesprochen hätte.
    Der Vollmond rollte wie ein großer silberner Käse über den Himmel, und Dogger saß kerzengerade mit emporgewandtem Gesicht da, als sonnte er sich in den Strahlen, wobei er einen schwarzen Regenschirm über sich hielt.
    Ich rutschte schweigend neben ihm auf die Bank. Er sah
mich nicht an und ich ihn nicht, und so saßen wir eine ganze Weile da wie zwei würdige, greise Astronomen, die den Mond beobachten.
    Schließlich sagte ich: »Es regnet nicht, Dogger.«
    Irgendwann während des Krieges war Dogger sturzflutartigen Regengüssen ausgesetzt gewesen, erbarmungslosen Regenstürmen, einem Regen, vor dem es weder Schutz noch Entkommen gab. So ähnlich jedenfalls hatte es mir Mrs Mullet erzählt.
    »Er fühlt sich einfach pudelwohl unter seinem Regendach, Schatz«, hatte sie gesagt, »und wenn die Hunde noch so vor Hitze hecheln.«
    Langsam, wie eine mechanische Figur, langte Dogger nach oben und löste die Sperre im Griff des Regenschirms, worauf sich die Stangen und der wasserdichte Stoff wie Fledermausflügel zusammenfalteten und seine Hand unter sich begruben.
    »Kennst du dich mit Polio aus?«, fragte ich ihn.
    Ohne die Augen vom Mond zu wenden, antwortete Dogger: »Kinderlähmung. Heine-Medin’sche Krankheit . Morgenlähmung. Strengste Bettruhe. Hab ich jedenfalls so gehört«, setzte er hinzu und sah mich zum ersten Mal an.
    »Noch was?«
    »Schmerzen. Unerträgliche Schmerzen.«
    »Vielen Dank, Dogger«, sagte ich. »Die Rosen blühen dieses Jahr prächtig. Da hast du eine Menge Arbeit reingesteckt.«
    »Vielen Dank für das Kompliment, mein Fräulein«, sagte er. »Aber die Rosen blühen jedes Jahr prächtig, mit Dogger oder ohne.«
    »Gute Nacht«, sagte ich und stand auf.
    »Gute Nacht, Miss Flavia.«
    Auf halbem Weg über die Wiese blieb ich stehen und drehte mich um. Dogger hatte den Schirm wieder aufgespannt, saß kerzengerade da wie Mary Poppins und lächelte den Sommermond an.

10
    B itte bleib heute mal zu Hause, Flavia«, sagte Vater nach dem Frühstück. Ich war ihm unverhofft auf der Treppe begegnet.
    »Tante Felicity möchte ein paar alte Familienunterlagen durchsehen, und sie hat mich eigens darum gebeten, dass du ihr dabei hilfst, die Kartons herunterzuheben.«
    »Wieso kann Daffy das nicht machen?«, fragte ich. »Sie ist doch unsere Expertin für Bibliotheken und all so was.«
    Das stimmte nicht so ganz, da mir eine

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