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Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - Bradley, A: Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - The Weed that strings the Hangman's Bag

Titel: Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - Bradley, A: Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - The Weed that strings the Hangman's Bag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Bradley
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möchte ich Sie bitten, Ihre Plätze wieder einzunehmen und sitzen zu bleiben, bis ich Ihnen weitere Anweisungen gebe. Es besteht nicht der geringste Anlass zur Panik, also verhalten Sie sich bitte ruhig.«
    Leise hörte ich ihn zu Wachtmeister Linnet sagen: »Verdecken Sie die Bühne. Die Fahne dort müsste groß genug sein.« Er wies auf ein Leintuch, das vor der Galerie über dem Haupteingang aufgespannt war: Frauengesellschaft St. Tankred, stand darauf vor einem rotweißen Sankt-Georgs-Kreuz. Hundert Jahre 1850 - 1950.
    »Und wenn Sie das erledigt haben«, setzte der Inspektor hinzu, »rufen Sie Graves und Woolmer an. Richten Sie einen schönen Gruß von mir aus und sagen Sie den beiden, sie sollen so schnell wie möglich herkommen.«
    »Graves und Woolmer haben heute ihren Kricket-Abend«, gab Wachtmeister Linnet zu bedenken.
    »Ach, richtig. In dem Fall richten Sie ihnen einen schönen Gruß und mein herzliches Beileid aus. Der Herr Vikar lässt uns doch gewiss sein Telefon benutzen?«
    Der verdutzte Vikar sah sich suchend um. »Natürlich haben wir hier ein Telefon … für die Zwecke des Frauenkomitees und der Frauengesellschaft, wissen Sie … Aber das müssen wir leider in einem abgeschlossenen Schrank in der Küche verwahren … weil so viele Leute dann doch Ferngespräche
mit ihren Freunden in Devon führen … einmal sogar nach Schottland.«
    »Und wo ist der Schlüssel?«
    »Den habe ich kurz vor der Aufführung dem Herrn aus London gegeben. Er sei von der BBC, hat er gemeint, und müsse einen dringenden Anruf tätigen … die Gebühren wollte er mir aus seiner eigenen Tasche erstatten, wenn ihn die Vermittlung zurückgerufen und ihm die Höhe mitgeteilt hätte. Allerdings kann ich ihn gerade nirgends entdecken … Aber wir haben ja auch im Pfarrhaus noch ein Telefon.«
    Mein erster Gedanke war, das Schrankschloss zu knacken, aber ehe ich diesen Vorschlag äußern konnte, schüttelte Inspektor Hewitt den Kopf.
    »Wir kriegen die Scharniere bestimmt ab, ohne Schaden anzurichten.«
    Er winkte George Carew, unserem Dorfschreiner, der eilfertig aufsprang.
    Abgesehen von einem gelegentlichen Aufflackern der Taschenlampe hinter der Bühne saßen wir schon eine halbe Ewigkeit im Dunkeln.
    Dann ging das Deckenlicht plötzlich wieder an, worauf alle blinzelten und einander ein bisschen belämmert anschauten.
    Dort lag der tote Rupert, das Gesicht in einem Ausdruck des Erstaunens erstarrt, immer noch mitten auf der Bühne. Gleich würde man ihn zudecken. Wenn ich mich später an alles erinnern wollte, musste ich schleunigst noch eine Reihe unvergänglicher geistiger Schnappschüsse anfertigen. Aber ich musste mich höllisch beeilen.
    Klick!
    Die Augen: die Pupillen stark geweitet; hätte ich nur ein bisschen näher herangekonnt, hätte ich mich in den gewölbten Oberflächen bestimmt so deutlich gespiegelt wie Jan van Eyck im Schlafzimmerspiegel auf seinem Gemälde der Arnolfini-Hochzeit.

    Aber nicht lange, denn Ruperts Hornhaut trübte sich bereits, das Weiß der Augäpfel verlor seinen Glanz.
    Klick!
    Der Tote lag inzwischen reglos da. Die Haut hatte eine milchig-blaue Verfärbung angenommen. Aus dem Mundwinkel rann kein Blut mehr, und das bisschen Blut, das noch zu sehen war, schien ein wenig dunkler und dicker zu sein, obwohl die roten, grünen und gelben Birnen der Rampenlichter meine Farbwahrnehmung womöglich beeinflussten.
    Klick!
    Auf der Stirn, gleich unter dem Haaransatz, war eine dunkle Verfärbung von der Größe und Form eines Sixpence zu sehen. Obwohl das Haar noch schwelte und den Saal mit dem typischen beißenden Gestank von verbranntem Keratin erfüllte, einer schwefelhaltigen Aminosäure, konnte das allein nicht für die dicke Rauchwolke verantwortlich sein, die sich immer noch über der Beleuchtung ausdehnte. Vorhänge und Kulissen schienen relativ unversehrt, demnach schwelte hinter der Bühne noch etwas anderes. Weil es nach versengtem Gras roch, tippte ich auf Leinenstoff.
    Klick!
    Nach Ruperts Sturz auf die Bühne war Nialla aufgesprungen und hatte sich auf ihn zubewegt, dann jedoch war sie jählings stehengeblieben. Seltsamerweise war niemand, auch ich nicht, zu ihr gegangen, und nun, nach inzwischen etlichen Minuten, schlurfte sie, beide Hände vors Gesicht geschlagen, in Richtung Teeküche. Stand sie unter Schock? Oder steckte noch etwas anderes dahinter?
    Wachtmeister Linnet kam nach vorn gestapft. Er hatte die zusammengerollte Fahne unter den Arm geklemmt und hielt das große

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