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Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - Bradley, A: Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - The Weed that strings the Hangman's Bag

Titel: Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - Bradley, A: Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - The Weed that strings the Hangman's Bag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Bradley
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aufzunehmen. Das wird einige Zeit in Anspruch nehmen, wofür ich mich schon jetzt entschuldige. Nach Ihrer Befragung dürfen Sie den Saal verlassen, aber es könnte durchaus sein, dass wir später noch einmal mit Ihnen sprechen möchten. Vielen Dank für Ihre Aufmerksamkeit.«
    Er winkte jemandem hinter mir, und ich sah, dass es Detective Sergeant Graves war. Ob der sich wohl noch an mich erinnerte? Wir hatten anlässlich der polizeilichen Ermittlungen zum Tod von Horace Bonepenny, Vaters altem Schulkameraden, miteinander zu tun gehabt. Als er jetzt nach vorn kam, sah ich ihn unverwandt an, bis ich endlich mit einem fast unmerklichen Grinsen belohnt wurde.
    »Schulbuben!«, schnaubte Tante Felicity empört. »Ja, plündern die Polizeianwerber heutzutage schon die britischen Kinderwagen?«
    »Er hat viel Erfahrung«, flüsterte ich. »Er ist schon Detective Sergeant.«
    »Papperlapapp!« Sie kramte nach dem nächsten Bonbon.
    Da die Leiche verdeckt war, blieb mir nichts anderes übrig, als die Leute um mich herum zu betrachten.

    Mir fiel auf, dass Dieter den Blick starr auf Feely gerichtet hatte. Obwohl er neben Sally Straw saß - deren Gesicht einer launischen Gewitterwolke glich - betrachtete er das Profil meiner Schwester, als wäre ihr Haar ein Heiligenschein aus gehämmertem Gold.
    Auch Daffy war das aufgefallen. Als sie meinen verwunderten Blick auffing, beugte sie sich vor Vaters Brust zu mir herüber und flüsterte: »Der Ausdruck, der dir auf der Zunge liegt, lautet: ›verblendete Verzückung‹.« Dann lehnte sie sich wieder zurück.
    Vater achtete gar nicht auf uns. Er hatte sich schon wieder in seine eigene Welt zurückgezogen: eine Welt aus bunter Tinte und Perforationen-per-Zoll, eine Welt aus Alben und Gummi arabikum, eine Welt, in der es sich Unsere Glorreiche Majestät, König George VI., fest auf seinem Thron und auf den Briefmarken Großbritanniens gemütlich gemacht hatte. Eine Welt, in der Traurigkeit - und Wirklichkeit - nicht vorgesehen waren.
    Schließlich gingen die Befragungen los. Während Inspektor Hewitt und Sergeant Woolmer auf einer Saalseite anfingen, übernahmen Sergeant Graves und Wachtmeister Linnet die andere Seite.
    Es war eine lange, ermüdende Prozedur. Die Zeit lastete, wie es so schön heißt, schwer auf unseren Schultern, oder besser gesagt, an unseren Hinterteilen. Sogar Tante Felicity rutschte ungeduldig auf ihrer mehr als prallen Polsterung herum.
    »Sie dürfen aufstehen und sich strecken«, sagte Inspektor Hewitt zwischendurch, »aber entfernen Sie sich bitte nicht von Ihrem Platz.«
    Wahrscheinlich dauerte es nicht länger als eine Stunde, bis wir endlich an der Reihe waren, aber uns kam es wie ewig und drei Tage vor. Vater ging als Erster in die Ecke, in der ein schlichter Tisch mit ein paar Stühlen aufgebaut war. Was ihn der Inspektor fragte, konnte ich nicht verstehen, auch Vaters
Antworten nicht, die überwiegend aus verneinendem Kopfschütteln zu bestehen schienen.
    Es war noch nicht lange her, dass Inspektor Hewitt Vater des Mordes an Horace Bonepenny beschuldigt hatte, und obwohl Vater es nie offen ausgesprochen hatte, begegnete er der Polizei seither mit einer gewissen Zurückhaltung. Er war bald wieder bei uns und wartete geduldig, bis erst Tante Felicity, dann Feely und schließlich Daffy zum Tisch gingen und sich leise mit dem Inspektor unterhielten.
    Ich gab mir Mühe, die Blicke der Zurückkehrenden aufzufangen und womöglich daran abzulesen, was man sie gefragt hatte und was sie geantwortet hatten, aber vergebens. Sowohl Feely als auch Daffy hatten den öligen, frömmlerischen Gesichtsausdruck aufgesetzt, den sie immer nach der Teilnahme an der Kommunion aufsetzten, die Lider gesenkt, die Hände in gespielter Demut vor dem Bauch gefaltet. Auch Vater und Tante Felicity gaben sich undurchdringlich.
    Bei Dogger lag der Fall anders.
    Obwohl er sich in der Mangel des Inspektors wacker schlug, fiel mir auf, dass er wie ein Hochseilartist auf seinen Platz zurücktrippelte. Eines seiner Augenlider zuckte, und sein Gesicht hatte den angespannten und zugleich leeren Ausdruck angenommen, der seinen Anfällen vorausging. Was Dogger im Krieg auch erlebt haben mochte, er war seither so gut wie außerstande, irgendeine Bürokratie oder irgendwelche Autoritäten aus der Nähe zu ertragen.
    Zum Kuckuck mit den Folgen! Ich stand auf und kniete mich vor ihn hin. Inspektor Hewitt schielte zwar in meine Richtung, machte aber keine Anstalten, mich daran zu

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