Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - Bradley, A: Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - The Weed that strings the Hangman's Bag

Titel: Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - Bradley, A: Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - The Weed that strings the Hangman's Bag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Bradley
Vom Netzwerk:
das Eintreffen der Inglebys bemerkt zu haben.
    Dann fing die Vorstellung an. Vermutlich wegen der endlosen beiden Misses Puddock ließ Rupert den Sketch mit Mozart ausfallen und fing gleich mit dem Hauptstück an.
    Wie am Nachmittag hob sich der rote Samtvorhang und gab den Blick auf das Häuschen der Witwe frei. Ein Scheinwerfer strahlte Nialla in ihrem Mutter-Gans-Kostüm an. Griegs »Morgenstimmung« erfüllte die Luft und vermittelte eine Stimmung von dunklen Wäldern und eiskalten Fjorden.
    »Es war einmal, in einem Dorf nicht weit von hier«, hob Nialla an, »da lebte eine Witwe mit ihrem Sohn. Er hieß Jack.«
    Jack trat auf. Der Jack mit Robin Inglebys Gesicht.
    Abermals rangen etliche Anwesende hörbar nach Luft, als sie die Züge des toten Jungen erkannten. Ich wagte kaum, mich umzudrehen, tat aber so, als hätte sich mein Kleid im Klappmechanismus des Stuhls eingeklemmt, und wandte den Kopf gerade so weit, dass ich einen Blick auf die Inglebys erhaschen konnte. Grace starrte mit aufgerissenen Augen auf die Bühne, weinte aber nicht, sondern sah wie versteinert aus. Gordon drückte ihre Hand, was sie jedoch nicht zu merken schien.
    Auf der Bühne rief der Puppen-Jack: »Mutter? Bist du zu Hause, Mutter? Ich hab Hunger!«
    »Jack war ein Faulpelz«, sagte Mutter Gans, »und weil er nicht arbeiten wollte, dauerte es nicht lange, bis das Wenige, was seine Mutter gespart hatte, restlos aufgebraucht war. Im ganzen Haus gab es nichts mehr zu essen, und nicht mal mehr ein roter Heller war geblieben, um etwas zu essen zu kaufen.«
    Das Raunen und Tuscheln verebbte, die Vorstellung nahm
ihren Lauf. Rupert musste in Hochform sein: Die Puppen waren so überzeugend in Stimme und Bewegung, dass die Zuschauer alsbald ihrem Zauber verfielen - wie es der Vikar angekündigt hatte.
    Von den bunten Bühnenlämpchen angestrahlt, glichen die Gesichter der Zuschauer den Gesichtern auf einem Gemälde von Toulouse-Lautrec: rot, überhitzt und ganz auf die kleinen hölzernen Darsteller konzentriert. Als Tante Felicity vor lauter Aufregung ein Magenbonbon zerbiss, sah ich, dass sogar Vater belustigt dreinschaute; ob das nun an den Marionetten oder an seiner Schwester lag, hätte ich allerdings nicht sagen können.
    Das Eintauschen der Kuh gegen die Bohnen und der Tritt in den Hintern wurden mit schallendem Gelächter kommentiert, das sogar noch lauter war als in der Nachmittagsvorstellung.
    Als die Bohnenranke immer höher wuchs, während Jack schlief, blieben etlichen Zuschauern (darunter Daffy) vor Staunen die Münder offen; sie stießen einander vor Wonne an. Und als Jack an der Bohnenranke ins Reich der Riesen hochkletterte, fraß ganz Bishop’s Lacey Rupert aus der Hand.
    Wie wohl Mutt Wilmott dieser Erfolg gefallen mochte? Er musste schließlich miterleben, dass Rupert bei einer Live-Aufführung (sozusagen) eine wahre Glanzleistung präsentierte, ohne dass zwischen ihm und seinem Publikum ein Fernsehapparat stand (nichts gegen das Fernsehen!). Doch als ich mich umdrehte, sah ich, dass Mutt nicht mehr da war und der Vikar auf dessen Platz saß.
    Mir fiel auf, dass auch Gordon Ingleby fehlte. Sein Stuhl war leer, nur Grace saß immer noch reglos auf dem benachbarten Platz, den leeren Blick auf die Bühne gerichtet, wo die Frau des Riesen gerade Jack in ihrem großen Steinofen versteckte.
    »Ho, hum!«, brüllte der Riese, als er aus der Küche kam. »Ich wittre, wittre Menschenfleisch!«

    »Jack kam aus dem Ofen gesprungen …«, erzählte Mutter Gans.
    »Meister, Meister!«, rief die entzückende Puppenharfe und zupfte aufgeregt an ihren eigenen Saiten. Der Teil gefiel mir am besten.
    »… packte die goldene Harfe und machte sich, so schnell er konnte, aus dem Staub. Der Riese folgte ihm dicht auf den Fersen!«
    Nun kam Jack die Bohnenranke hinuntergeklettert, die grünen Blätter rauschten und wogten. Als sich der Bewuchs lichtete, sah man auf der Bühne wieder das Häuschen seiner Mutter. Es war ein phänomenaler Effekt, und ich kam auch diesmal beim besten Willen nicht dahinter, wie Rupert das hinbekam. Ich würde ihn nach der Vorstellung fragen müssen.
    »Mutter, Mutter, hol die Axt!«, schrie Jack, und die alte Dame kam aus dem Garten hinterm Haus hervorgewatschelt - langsam, gaaanz langsam, aber immerhin hatte sie ein großes Beil in der Hand.
    Jack stürzte sich auf die Bohnenranke, hackte wie ein Besessener drauflos, und die Ranke wich wieder und wieder wie in Todesangst vor der funkelnden Schneide zurück.
    Dann

Weitere Kostenlose Bücher