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Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - Bradley, A: Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - The Weed that strings the Hangman's Bag

Titel: Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - Bradley, A: Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - The Weed that strings the Hangman's Bag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Bradley
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Klappmesser, mit dem er die Aufhängung durchgeschnitten hatte, noch in der Hand. Er und der Vikar hängten den Stoff eilig zwischen zwei Kleiderständern auf und verbargen den Verstorbenen vor unseren Blicken.

    Dass Rupert verstorben war, da konnte ich mir sicher sein: Inspektor Hewitt hatte garantiert als Erstes überprüft, ob Rupert noch irgendwelche Lebenszeichen von sich gab, und ich hatte ihn nicht nach einem Krankenwagen rufen hören. Bis jetzt hatte es auch niemand mit Wiederbelebung versucht. Überhaupt schien niemand versessen darauf zu sein, den Leichnam anzufassen. Nicht mal Dr. Darby hatte sich besonders beeilt.
    Das Ganze hatte sich natürlich in viel kürzerer Zeit ereignet, als es dauert, es zu schildern. Tatsächlich waren inzwischen vermutlich kaum mehr als fünf Minuten vergangen.
    Dann, wie es der Inspektor prophezeit hatte, ging das Licht wieder aus.
    Im ersten Augenblick kam es einem vor, als hätte sich, wie Daffy es ausgedrückt hätte, »stygische Finsternis« über den Saal gesenkt (Mrs Mullet nannte es »Negerboxkampf im Tunnel«). Mrs Mullet saß übrigens immer noch auf ihrem Platz, steif wie eine Wachsfigur und mit einem erstarrten Lächeln auf dem Gesicht. Wahrscheinlich lächelte sie im Dunkeln genauso.
    Es war die Art Dunkelheit, die anfangs sämtliche Sinne lahmzulegen scheint.
    Dann jedoch stellt man fest, dass es gar nicht so dunkel ist, dass man die Hand vor Augen nicht sehen könnte. So durchbohrten beispielsweise winzige Lichtpunkte die schäbigen Verdunkelungsvorhänge, mit denen man die Fenster schon seit Vorkriegszeiten verhängt hatte, und obwohl es draußen schon dämmerte, reichte das Licht aus, um die Umrisse im Saal grob zu unterscheiden.
    Und totenstill war es erst recht nicht. Hinter dem Bühnenvorhang hörte man ab und zu Schritte; dann wurde die vor der Bühne aufgespannte Fahne mit einem Mal von hinten mit einem gelben Strahl aus einer leistungsstarken Taschenlampe angestrahlt.

    Nun nahm ein grausiges Schattenspiel seinen Anfang. Man sah, wie die Silhouette von Dr. Darby nach unten langte und die Leiche betastete, zweifellos, um festzustellen, ob Rupert noch lebte. Die Mühe hätte ich ihm ersparen können.
    Der Schatten schüttelte den Kopf, das Publikum seufzte schwer. Ich ging davon aus, dass jetzt, da Rupert offiziell für tot erklärt war, Inspektor Hewitt alles möglichst unberührt lassen wollte, bis Detective Sergeant Woolmer mit seiner Plattenkamera aus Hinley eintraf.
    Derweil wühlte Tante Felicity in ihrer Handtasche nach den nächsten Bonbons. Ich konnte sie durch die Nase schnaufen hören. Links von mir flüsterte Daffy Feely etwas zu, aber da Vater, der zwischen uns saß, sich in regelmäßigen Abständen räusperte - wie immer, wenn er nervös oder aufgebracht ist -, konnte ich nichts verstehen.
    Nach einer weiteren halben Ewigkeit ging das Licht mit einem Mal wieder an, und wieder schauten sich alle zwinkernd um.
    Mrs Mullet tupfte sich mit einem Taschentuch die Augen, ihre Schultern bebten, und ich erkannte, dass sie in sich hineinweinte. Auch Dogger merkte es. Er bot ihr seinen Arm, den sie, ohne den Blick zu heben, annahm und sich von ihm in die Küche führen ließ.
    Er kam im Handumdrehen wieder zurück.
    »Zwischen Töpfen und Pfannen fühlt sie sich einfach wohler«, raunte er mir zu, als er sich wieder hinsetzte.
    Ein Lichtblitz blendete uns, und wie alle anderen drehte auch ich mich um und sah, dass Detective Sergeant Woolmer eingetroffen war. Er hatte seine klobige Kamera und das Stativ auf der Galerie aufgebaut und uns soeben alle auf Film gebannt. Als der Blitz ein zweites Mal aufflammte, kam mir der Gedanke, dass die zweite Aufnahme wahrscheinlich einfach nur ein Meer emporgewandter Gesichter zeigte. Was womöglich die Absicht des Fotografen war.

    »Meine Damen und Herren … darf ich um Ihre Aufmerksamkeit bitten?«
    Inspektor Hewitt war hinter dem schwarzen Vorhang hervorgetreten und stand mitten auf der Bühne.
    »Ich muss Ihnen leider mitteilen, dass sich ein unglückseliger Unfall ereignet hat und Mr Porson tot ist.«
    Obwohl das eigentlich keine Überraschung mehr war, löste die Bestätigung einen Chor aus vernehmlichem Aufkeuchen, ersticktem Wehklagen und aufgeregtem Getuschel aus. Der Inspektor wartete geduldig, bis sich alle wieder beruhigt hatten.
    »Darum muss ich Sie leider auch bitten, noch ein wenig länger auf Ihren Plätzen auszuharren, bis wir so weit sind, Ihre Namen und Adressen sowie eine kurze Aussage

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