Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen

Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - Bradley, A: Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - The Weed that strings the Hangman's Bag

Titel: Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - Bradley, A: Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - The Weed that strings the Hangman's Bag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Bradley
Vom Netzwerk:
Stoker, Besitzer und Wirt des Dreizehn Erpel, dessen Bemerkung mit lautem Gelächter, nicht zuletzt seinem eigenen, quittiert wurde)
    »… und während der Maestro noch seine magischen Fäden sortiert, freut sich das Frauenkomitee von St. Tankred, zu Ihrer musikalischen Unterhaltung die beiden Misses Puddock, Lavinia und Aurelia, zu präsentieren.«
    Herr erbarme dich! Erbarme dich unser!
    Bei der Nachmittagsvorstellung waren uns die beiden Schwestern nur deshalb erspart geblieben, weil sie in ihrer St. Nicholas Teestube zu tun gehabt hatten.
    Die beiden Misses Puddock hatten sämtliche öffentlichen Veranstaltungen im Gemeindesaal von St. Tankred eisern im Griff. Ganz gleich, ob es sich um einen Kaffeeklatsch der Damenliga,
einen Kartenspielnachmittag des Altardienstes, einen Flohmarkt des Frauenkomitees oder eine Frühlingsblumenschau der Sakristeigilde handelte, die beiden Fräuleins traten auf, sommers wie winters, bei Regen und bei Sonnenschein.
    Miss Lavinia würde sich wie immer ans Klavier setzen, in ihrem Einkaufsnetz herumkramen und schließlich ein abgegriffenes Notenheft herausfischen: »Napoleons letzter Angriff«.
    Nach einer schier endlosen Wartezeit - während der sie sich so weit vorbeugen würde, dass ihre Nase die Notenblätter berührte - würde sie sich steif wie ein Ladestock aufrichten, die Hände über der Tastatur in der Luft halten, sie fallen lassen, einen letzten Blick auf die Noten werfen und das Stück zerfetzen wie ein Grizzlybär in der Wochenschau im Kino, der mit den Tatzen einen Lachs zerfetzt.
    Wenn sie geendet hätte, würde sich Miss Aurelia in Positur stellen, mit den weiß behandschuhten Fingerspitzen eifrig über das staubige Klavier streichen und eine grauenhafte Version von »Bendemeer’s Stream« jodeln (anders konnte man es nicht nennen).
    Anschließend würde der Vorsitzende der Sakristeigilde verkünden, man sei einstimmig übereingekommen, die beiden Misses Puddock mit einem Honorar, »einer kleinen Anerkennung«, wie er es zu nennen pflegte, zu bedenken.
    Und los ging’s!
    Miss Lavinia, die Augen wie festgeklebt auf den Noten, war mitten in »Napoleons letztem Angriff«, als mir auffiel, dass sie beim Spielen die Lippen bewegte. Natürlich überlegte ich, was sie sagte. Das Musikstück hatte keinen Text. Zählte sie die Akkorde mit? Betete sie?
    Gnädigerweise nahm sie das Stück mit einem etwas schnelleren Galopp als sonst, und die Sache war rasch überstanden - einigermaßen rasch. Feelys Kinnmuskeln zuckten und Max sah aus, als kaute er auf einem Pfefferminz aus rostfreiem Stahl herum.

    Miss Aurelias Auftritt war gekommen. Miss Lavinia hämmerte das Vorspiel in die Tasten, dann fiel ihre Schwester ein:
    There’s a bower of roses by Bendemeer’s Stream
And the nightingale sings round it all the day long.
At the time of my childhood ‘twas like a sweet dream
    (Miss Aurelias Kindheit musste, allem Augenschein nach, irgendwann in der späten Kreidezeit gewesen sein.)
     
    To sit in the roses and hear the bird’s song.
     
    Als sie fertig war, ertönte von hier und dort höflicher Beifall, und Miss Aurelia blieb einen Augenblick lang mit schiefgelegtem Kopf stehen, überprüfte noch einmal, ob sich etwa irgendwelche Stäubchen auf dem Klavier niedergelassen hatten, und wartete darauf, zu einer Zugabe aufgefordert zu werden. Aber die Zuhörer hüteten sich, sie dazu auch noch zu ermutigen, und lehnten sich zurück, manche sogar mit demonstrativ verschränkten Armen.
    Als das Saallicht ausging, drehte ich mich noch einmal um. Ein paar Nachzügler fanden soeben ganz am Rand Platz, und zu meinem Entsetzen erkannte ich Gordon und Grace Ingleby. Sie in ihren grässlichen Trauerklamotten, er mit einer Melone auf dem Kopf - nicht zu fassen! Und beide sahen nicht besonders glücklich darüber aus, hier zu sein.
    Meine erste Regung war Wut. Warum hatte niemand die beiden gewarnt? Warum hatte sie niemand davon abgehalten herzukommen?
    Warum hatte ich sie nicht davon abgehalten?
    Aus unerfindlichen Gründen schoss mir etwas durch den Kopf, was Daffy einmal gesagt hatte: dass es die Pflicht eines konstitutionellen Monarchen sei, zu warnen und zu raten.
    Wäre Seine Königliche Hoheit George VI. an diesem Abend
unter uns gewesen, hätte er die Inglebys gewiss beiseitegenommen und sie vor der Puppe mit dem Gesicht ihres toten Sohnes gewarnt. Aber er befand sich nun mal nicht unter uns.
    Abgesehen davon war es schon zu spät. Der Saal lag im Dunkeln. Niemand außer mir schien

Weitere Kostenlose Bücher