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Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - Bradley, A: Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - The Weed that strings the Hangman's Bag

Titel: Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - Bradley, A: Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - The Weed that strings the Hangman's Bag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Bradley
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geschlüpft war, blieb ich jählings stehen. Auf dem Holzständer gleich neben der Tür steckte, zwischen den beiden vollen Milchflaschen, die der Milchmann im Morgengrauen dort abgestellt hatte, ein Päckchen.
    Es hatte eine kränklich violette Farbe und oben und unten überstehende Ränder. Das durchsichtige Zellophan, in das es eingeschlagen war, hatte es vor dem nächtlichen Regen geschützt. Auf dem Deckel stand in goldenen Buchstaben: Erlesene Pralinen - Mischung für die Dame. Herzoginnen-Auswahl. Ein Band in der Farbe einer verblassten gelben Rose war darum herumgewickelt. Das Klebeschild besagte »10/6«, wie das auf dem Zylinder des Hutmachers aus Alice im Wunderland .
    Ich hatte diese Schachtel schon gesehen, und zwar erst vor ein paar Tagen … im von Fliegen bevölkerten Schaufenster von Miss Cools Konditorei mit angeschlossener Poststelle auf der Hauptstraße, wo die Schachtel seit undenklichen Zeiten vor sich hin schmachtete - wahrscheinlich schon seit dem Krieg oder sogar noch länger. Und ich begriff sofort, wie sie ihren Weg zur Hintertür von Buckshaw gefunden hatte. Des Rätsels Lösung hieß Ned Cropper.
    Ned verdiente sieben Pfund die Woche dafür, dass er Tully Stoker im Dreizehn Erpel zur Hand ging, und er war unsterblich in (unter anderem) Ophelia verliebt. Obwohl er gestern
Abend Tullys Tochter Mary zu Jack und die Bohnenranke begleitet hatte, hatte ihn das nicht daran gehindert, sein mitternächtliches Liebesunterpfand auf unserer Türschwelle zu hinterlassen, wie ein Kater seinem Besitzer als Zeichen der Zuneigung eine tote Maus vor die Tür legt.
    Die Pralinen waren so steinalt, dass sie höchstwahrscheinlich zahllose Abarten hochspannender Schimmelkulturen beherbergten, aber leider hatte ich keine Zeit, sie mir näher anzusehen. Widerstrebend kehrte ich in die Küche zurück und stopfte die Schachtel ins Eisfach des Kühlschranks. Mit Feely würde ich mich später befassen.
     
    »Ned!«
    Ich schenkte ihm ein Lächeln und winkte ihm mit vornehm abgespreizten Fingern zu, wie man es den Angehörigen des Königshauses beibringt. Mit den hochgekrempelten Ärmeln und dem pomadierten Haar, das einem nassen Heuhaufen glich, stand Ned, die Fersen gegen den Schornsteinaufsatz gestemmt, auf dem steilen Dach des Dreizehn Erpel und trug mit einer Bürste heißen Teer auf die Ziegel auf, die den Eindruck machten, als lägen sie schon dort oben, seit die Dänen in England eingefallen waren.
    »Komm mal runter!«, rief ich. »Geht nicht, Flavia. Wir ham ein Leck in der Küche. Tully will das gemacht haben, bevor der Inspektor vorbeikommt. Er hat gesagt, er will heute schon in aller Herrgottsfrühe vorbeischauen. Tully meint, zumindest das mit dem ›früh‹ wär ernst gemeint gewesen«, ergänzte Ned. »Was immer das heißen soll.«
    »Ich muss mit dir reden«, verkündete ich in meinem besten Bühnenflüsterton. »Aber ich kann nicht die ganze Zeit zu dir hochbrüllen.«
    »Dann musst du raufkommen.« Er wies auf eine Leiter, die an der Hauswand lehnte. »Pass aber auf.«

    Die Leiter war so alt wie das ganze Gasthaus, jedenfalls kam es mir so vor. Sie wackelte und bog sich unter meinen Füßen, dabei knarrte und ächzte sie furchteinflößend. Es schien Stunden zu dauern, bis ich oben ankam, und ich vemied es, nach unten zu schauen.
    »Es ist wegen gestern Abend, oder?«, fragte Ned, als ich fast oben war.
    Heiliger Bimbam! Wenn ich wirklich so durchschaubar war, dass sogar jemand wie Ned in mir las wie in einem offenen Buch, dann sollte ich die Sache wohl lieber gleich der Polizei überlassen.
    »Nein«, antwortete ich, »eigentlich geht es um was anderes, Herr Oberschlaumeier. Eine gewisse Person hat mich gebeten, dir für dein wunderbares Geschenk zu danken.«
    »Ehrlich?« Neds Gesicht verzog sich zum klassischen Dorftrottelgrinsen. Die Gesellschaft für Volkskunde hätte ihn vor die Filmkamera gezerrt, ehe er »Piep« sagen konnte.
    »Sie wäre selber gekommen, aber ihr böser Vater hat sie in ihrem Turm eingesperrt, wo er ihr Kehricht und widerliche Küchenabfälle vorsetzt.«
    »Haha!«, sagte Ned. »Gestern Abend hat sie nicht grade verhungert ausgesehen.«
    Seine Züge verfinsterten sich, als wäre ihm erst jetzt wieder eingefallen, was sich gestern Abend zugetragen hatte.
    »Is echt traurig, das mit dem Puppenspieler. Der Bursche tut mir echt leid.«
    »Das ist schön von dir, Ned. Denn er hatte nicht viele Freunde auf dieser Welt. Da wär’s nett, wenn du auch Mr Wilmott dein Beileid

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