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Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - Bradley, A: Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - The Weed that strings the Hangman's Bag

Titel: Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - Bradley, A: Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - The Weed that strings the Hangman's Bag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Bradley
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schon für ein früheres Experiment beschlagnahmt hatte, aus einer Schublade. Vorsichtig schob ich die Klinge unter das ausgebleichte Band der Pralinenschachtel, drehte sie um und führte einen säuberlichen Schnitt durch das Zellophanpapier, genau an der Stelle, wo sich das Band befunden hatte. Ein kurzer Einschnitt in den Boden und an jeder Seite genügte, um die Verpackung wie eine Austernschale aufzuklappen. Das alles wieder ordentlich an Ort und Stelle zu bringen, würde kinderleicht sein.
    Anschließend hob ich den Deckel der Schachtel an und spähte hinein.
    Großartig! Die Trüffelpralinen schienen in einwandfreiem Zustand zu sein. Ich hatte schon gefürchtet, dass das Alter seinen Tribut gefordert und sich mir nach dem Öffnen der Schachtel ein ähnlicher Anblick geboten hätte wie damals, als Mr Haskins, der Totengräber, beim Ausheben eines neuen Grabes aus Versehen auf ein bereits belegtes gestoßen war.
    Mir fiel ein, dass die Pralinen ja hermetisch versiegelt gewesen waren und deshalb, ganz abgesehen von den beigemengten
Konservierungsstoffen, für arglose Augen unverdächtig aussehen würden. Das Glück war auf meiner Seite!
    Ich hatte mich für diese Methode entschieden, weil sie bei normalen Temperaturen durchgeführt werden konnte. Es gab daneben noch andere Verfahren, die zum gleichen Ergebnis geführt hätten. Das von mir ausgesuchte ging folgendermaßen: In die untere Kugel des Kipp’schen Apparates gab ich eine bestimmte Menge gewöhnlichen Eisensulfids. In das obere Gefäß tropfte ich vorsichtig verdünnte Schwefelsäure und half mit einem Glasstab nach, um sicherzugehen, dass die Flüssigkeit auch ins Zielgefäß gelangte.
    Ich sah zu, wie sich die Reaktion im unteren Behälter entfaltete: ein hübscher chemischer Tumult, der unweigerlich stattfindet, wenn etwas Schwefelhaltiges - übrigens auch der menschliche Körper - sich zersetzt. Als ich die Reaktion für abgeschlossen erachtete, öffnete ich das untere Ventil und ließ das Gas in einen Kolben entweichen, den ich anschließend zustöpselte.
    Dann kam der Teil, der am meisten Spaß machte. Ich nahm eine große, in Messing eingefasste Glasspritze aus einer von Onkel Tars Schubladen (ich hatte schon oft überlegt, ob er die Spritze wohl dazu benutzt hatte, um sich, wie schon Sherlock Holmes, seine siebenprozentige Kokainlösung selbst zu spritzen), bohrte die Nadel durch den Gummistöpsel, drückte den Kolben erst ganz durch und zog ihn dann langsam wieder an.
    Jetzt hatte ich eine Spritze voller Schwefelwasserstoffgas. Fehlte nur noch ein allerletzter Schritt.
    Ich stach die Nadel durch den Stöpsel eines Reagenzglases und drückte den Kolben mit beiden Daumen fest hinunter. Man benötigte nur etwa vierzehn Bar, um das Gas in eine Flüssigkeit auszufällen, und es klappte gleich beim ersten Mal.
    Nun hatte ich ein Reagenzglas, das absolut durchsichtigen Schwefelwasserstoff in flüssiger Form enthielt. Ich brauchte
nur noch den Kolben zurückzuziehen und zuzusehen, wie die Flüssigkeit in die Glasspritze sprudelte.
    Vorsichtig injizierte ich in jede Praline einen oder zwei Tropfen, wobei ich anschließend leicht mit einem vorher über dem Bunsenbrenner angewärmten Glasstab über die Einstichstelle strich, um das Löchlein wieder zu verschließen.
    Derart sorgfältig hatte ich gearbeitet, dass mir nicht mehr als ein feiner Hauch nach faulen Eiern in die Nase stieg. Der Schwefelwasserstoff würde nun so lange unsichtbar im zähflüssigen Inneren der Pralinen schlummern, bis die arglose Feely …
    »Flavia!«
    Das war Vater.
    »Komme schon!«, rief ich. »Bin gleich unten!«
    Ich setzte den Deckel wieder auf die Schachtel, legte das Zellophan darum herum und verschloss den haarfeinen Schnitt mit zwei Tupfen Klebstoff. Dann schob ich das Band darüber.
    Als ich sittsam und bescheiden die geschwungene Treppe hinunterschritt, stand meine Familie bereits vollständig versammelt in der Halle und wartete.
    »Ich glaube, die sind für dich!« Ich hielt Feely die Schachtel hin. »Die hat jemand vor der Tür abgestellt.«
    Feely errötete zart.
    »Ich muss euch etwas gestehen«, sagte ich dann. Alle Blicke richteten sich blitzartig auf mich: Vaters Blick, Tante Felicitys, Feelys, Daffys - sogar Doggers.
    »Ich habe kurz erwogen, ob ich die Pralinen einfach behalte«, fuhr ich mit niedergeschlagenen Augen fort, »aber heute ist Sonntag und ich tue wirklich mein Möglichstes, ein besserer Mensch zu werden.«
    Mit gierig ausgestreckten Händen stürzte

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