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Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - Bradley, A: Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - The Weed that strings the Hangman's Bag

Titel: Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - Bradley, A: Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - The Weed that strings the Hangman's Bag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Bradley
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aussprechen würdest. Jemand hat mir gesagt, dass er hier wohnt.«
    Das war zwar gelogen, aber in bester Absicht.
    »Ach ja? Keine Ahnung. Ich krieg immer nur zu hören ›Dach! Dach! Dach!‹ - klingt wie’n kaputter Traktor, wenn man’s oft hintereinander sagt, was?«

    Ich schüttelte den Kopf und machte mich wieder an den Abstieg.
    »Ach, herrje!«, rief mir Ned nach. »Du bist ganz mit Teer vollgeschmiert.«
    »Wie ein Dach«, sagte ich und betrachtete meine schmutzigen Hände und mein Kleid. Ned wieherte vor Lachen und ich brachte ein klägliches Grinsen zustande.
    Am liebsten hätte ich ihn den Schweinen zum Fraß vorgeworfen.
    »Das geht übrigens nie mehr raus. Das hast du noch drankleben, wenn du ‘ne alte Oma bist.«
    Wo hatte Ned bloß diese Bauernweisheiten her? Höchstwahrscheinlich von Tully. Ich tröstete mich damit, dass Michael Faraday in den 1820er Jahren Tetrachlorethen synthetisch hergestellt hatte, indem er Hexachlorethan erhitzt und bei dessen Zersetzung das Chlor abgesaugt hatte. Das entstandene Lösungsmittel konnte Teer im Nu aus Geweben lösen. Leider, leider hatte ich jetzt nicht die Muße, Faradays Entdeckung zu wiederholen. Stattdessen musste ich wohl oder übel auf Mayonnaise zurückgreifen, so wie es im Unentbehrlichen Begleiter für Butler und Hausdiener empfohlen wurde, ein Heftchen, das mir einmal an einem Regentag in die Hände gefallen war, als ich unsere Speisekammer durchsuchte.
    »Vielleicht weiß Mary Bescheid. Ist sie da?«
    Ich traute mich nicht, einfach hineinzugehen und Tully nach seinen zahlenden Gästen zu fragen. Um ganz ehrlich zu sein, hatte ich Angst vor ihm, obwohl ich eigentlich nicht recht sagen konnte, warum.
    »Mary? Die ist mit der Wochenwäsche in die Wäscherei, und hinterher geht sie bestimmt noch in die Kirche.«
    Die Kirche! Verflixt und zugenäht! Die Kirche hatte ich völlig vergessen. Vater würde lila anlaufen!
    »Danke, Ned«, rief ich und zerrte Gladys aus dem Fahrradständer. »Bis bald!«

    »Oder schon früher!« Ned lachte und machte sich wieder an seine Arbeit.
     
    Wie befürchtet, stand Vater, als ich schlitternd vor unserer Haustür bremste, schon davor und schaute vorwurfsvoll auf die Uhr.
    »Entschuldige!«, sagte ich. Er fragte nicht einmal nach.
    Ich flitzte durch die offene Tür in die Eingangshalle. Daffy saß mit einem aufgeschlagenen Buch im Schoß auf halber Höhe der Westtreppe, Feely war noch nicht unten.
    Ich sauste die Osttreppe hoch in mein Zimmer, warf mich so flink wie eine Verwandlungskünstlerin in mein Sonntagskleid, wischte mir mit einem Lappen übers Gesicht und war knapp zwei Minuten später - abgesehen von einem bisschen Teer an den Spitzen meiner Rattenschwänze - abmarschbereit zum Sonntagsgebet.
    Erst da fielen mir die Pralinen wieder ein. Die verstaute ich wohl besser woanders, ehe Mrs Mullet damit anfing, ihre grässliche Sonntagseiskrem zusammenzupantschen. Andernfalls würde ich peinliche Fragen beantworten müssen.
    Ich trippelte auf Zehenspitzen in die Küche und spähte um die Ecke. Hinten auf dem Herd stand irgendeine grausige Pampe, die kurz vor dem Aufkochen war; sonst war niemand zu sehen.
    Ich holte die Pralinenschachtel aus dem Eisfach und war eins-zwei-fix wieder oben im ersten Stock.
    Als ich meine Labortür aufschloss, wurde mein Blick auf ein aufblitzendes Glas gelenkt, in dem sich ein verirrter Sonnenstrahl vom Fenster her verfangen hatte. Es war ein wunderschönes Gefäß mit dem betörenden Namen »Kipp’scher Apparat«, eines von Tar de Luces kostbaren Laborgefäßen aus dem 19. Jahrhundert.
    »Ein Werk der Schönheit ist ein Glück für immer«, hatte der Dichter Keats einst geschrieben - jedenfalls behauptete
Daffy das. Keats hatte die Zeile gewiss verfasst, als er versonnen einen Kipp’schen Apparat betrachtete: ein Gerät, das dazu benutzt wurde, bei einer chemischen Reaktion entstandene Gase zu extrahieren. Anders konnte es gar nicht gewesen sein.
    Eigentlich bestand die Apparatur nur aus zwei übereinander angebrachten Glaskugeln, die durch eine kurze Röhre miteinander verbunden waren. Aus der oberen Kugel ragte ein zugestöpselter gläserner Schwanenhals, aus der unteren ein Lüftungsröhrchen mit gläsernem Absperrhahn.
    Mein Plan nahm sogleich Gestalt an, erfahrungsgemäß ein Beweis für eine göttliche Eingebung. Aber ich musste mich ranhalten, sonst würde Vater hereingestürmt kommen und mich die Treppe hinunterschleifen.
    Ich holte eins von Vaters alten Rasiermessern, das ich

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