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Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - Bradley, A: Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - The Weed that strings the Hangman's Bag

Titel: Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - Bradley, A: Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - The Weed that strings the Hangman's Bag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Bradley
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wollte sich nichts anmerken lassen.
    Wie grausam von dieser Hexe Feely, etwas derart Trauriges und Aufwühlendes auszuwählen: eine Melodie von Beethoven, die bei unserem deutschen Gast zwangsläufig wehmütige Erinnerungen an die ferne Heimat hervorrufen musste.
    Da brach Feely ihren Vortrag unvermittelt ab und sprang von der Klavierbank auf.
    »Oje!«, keuchte sie. »Entschuldigen Sie! Ich wollte wirklich nicht …«
    Ich sah, dass sie, womöglich zum allerersten Mal in ihrem Leben, ehrlich bestürzt war. Sie flog an Dieters Seite und hielt ihm ihr Taschentuch hin - und ich werde ihm ewig zugutehalten, dass er es annahm.
    »Aber nein. Ich muss mich entschuldigen.« Er tupfte sich die Augen. »Mir ist nur …«
    »Ach, Dieter«, platzte ich ohne zu überlegen heraus, »erzählen Sie uns doch, wie Sie in Kriegsgefangenschaft geraten sind. Ich wollte Sie schon die ganze Zeit danach fragen. Ich interressiere mich nämlich wahnsinnig für Geschichte.«
    Man hätte noch in der Antarktis eine Stecknadel fallen hören können.
    »Flavia!«, mahnte Vater schließlich - aber da war es schon zu spät für die beabsichtigte Wirkung.
    Dieter lächelte freundlich. Mir kam es vor, als sei er geradezu erleichtert, einen Ausweg aus der peinlichen Situation gefunden zu haben.
    »Aber gern!«, sagte er. »Seit fünf Jahren warte ich schon darauf,
dass mich jemand danach fragt. Aber ihr Engländer seid alle solche Gentlemen - sogar die Damen!«
    Tante Felicity sah ihn mit flammender Zustimmung an.
    »Aber«, fuhr Dieter fort, »ich muss Sie warnen. Es ist eine lange Geschichte. Wollen Sie die wirklich hören?«
    Daffy klappte ihr Buch zu und legte es beiseite.
    »Ich mag lange Geschichten«, sagte sie. »Je länger, desto besser.«
    Dieter baute sich auf dem Läufer vor dem Kamin auf und stützte den Ellbogen auf den Sims. Man konnte ihn sich förmlich in einer Jagdhütte mitten im Schwarzwald vorstellen.
    »Also … man kann mit Fug und Recht behaupten, dass ich wegen der Brontë-Schwestern über England abgeschossen wurde.«
    Abgeschossen? Das war mir neu! Ich war ganz Ohr.
    Daffys Augen verwandelten sich in Porzellantürknäufe, und sogar Vater setzte sich gerade hin.
    »Großer Gott!«, sagte er leise.
    »Ich war ein sehr verwöhntes Kind, das gebe ich gern zu. Ich war ein Einzelkind, wurde in einem wohlhabenden Haushalt von einem Kindermädchen erzogen.
    Wie schon erwähnt, war mein Vater Verleger, meine Mutter war Archäologin. Obwohl die beiden mich durchaus sehr liebten, das nehme ich jedenfalls an, waren sie so in ihren eigenen Welten versunken, dass alles, was mit ›dem Jungen‹ zu tun hatte, Drusilla überlassen wurde. So hieß mein Kindermädchen - Drusilla.
    Drusilla las mit Begeisterung englische Romane. Sie verschlang Bücher, wie ein Wal Krill verschlingt. Nie sah man sie ohne ein Buch in der Hand, und so kam es, dass sie mir das Lesen beibrachte, als ich noch am Daumen lutschte.
    Natürlich hatte Drusilla sämtliche Bücher der Brontë-Schwestern gelesen. Sturmhöhe, Jane Eyre, Die Herrin von Wildfell Hall - sie kannte sie fast auswendig. Ich glaube, ich
war ein bisschen in sie verliebt, und ich glaubte, ihre Liebe dadurch erringen zu können, dass ich aus ihren englischen Lieblingsbüchern vorlas.
    So wurde ich zum Anglophilen, begeisterte mich für alles Englische. Natürlich wollte ich nur noch englische Bücher lesen: Dickens natürlich, und Conan Doyle, Jane Austen und Thomas Hardy. Als ich älter wurde, schenkte mir Drusilla zu Weihnachten Abonnements für The Boys’ Own Annual und Chums. Mit zwölf war ich britischer als mancher Junge aus Brixton!
    Dann kam das Radio hinzu. Mithilfe der Artikel in Chums und mit Unterstützung eines Schulfreundes, der nebenan wohnte - Wolfgang Zander hieß er - gelang es mir, einen einfachen Einröhrenempfänger zusammenzubasteln, mit dem wir die Sendungen der BBC empfangen konnten.
    Wolfgang und ich waren verrückt nach elektrischen Geräten. Als Erstes konstruierten wir eine batteriebetriebene Türklingel, dann ein Telefon zwischen seinem und meinem Zimmer, wobei wir die Drähte über die Dächer und durch die Baumkronen zogen.
    Wenn unsere Eltern längst schliefen, summte der stoffummantelte Draht hoch oben in den Ästen von unseren fiebrigen Hirngespinsten. Wir konnten die ganze Nacht verplaudern. Es ging natürlich um das Radio, aber auch um englische Bücher, denn auch Wolfgang war von diesem Virus - besonders vom Brontë-Virus - befallen.
    Die jugendliche Fantasie

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