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Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - Bradley, A: Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - The Weed that strings the Hangman's Bag

Titel: Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - Bradley, A: Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - The Weed that strings the Hangman's Bag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Bradley
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aussah«, rief sie schallend, als befände ich mich auf einem anderen Erdteil.
    »Und jetzt, meine Liebe«, verkündete sie, nachdem ich die Malerutensilien endlich zu ihrer Zufriedenheit aufgebaut hatte, »haben wir Gelegenheit zu einer kleinen Unterredung unter vier Augen. Hier draußen kann endlich mal niemand mithören - von den Bienen und Wasserratten abgesehen.«
    Ich war verdutzt.
    »Du denkst sicher, dass ich keine Ahnung habe, was du hier für ein Leben führst.«
    Vor derlei Aussagen nahm ich mich ganz besonders in Acht.
Die Folgen konnten verheerend sein, und so beschloss ich, mich bedeckt zu halten, solange ich nicht wusste, aus welcher Richtung der Wind wehte.
    »Weit gefehlt!«, fuhr sie fort. »Ich kann mich gut in dich hineinversetzen. Ich weiß, wie einsam du dich fühlst, weiß, wie es dir mit deinen großen Schwestern geht, mit deinem stets beschäftigten Vater …«
    Ich wollte schon widersprechen, wollte sagen, dass sie sich irrte, als ich begriff, dass sich das Gespräch durchaus zu meinen Gunsten wenden ließ.
    »Ach ja«, sagte ich, blickte über den See und blinzelte, als müsste ich eine Träne aufhalten, »es ist nicht immer ganz leicht.«
    »Dasselbe hat deine Mutter hinsichtlich des Lebens auf Buckshaw auch immer gesagt. Ich weiß noch, wie sie als Mädchen im Sommer hierherkam, so wie ich vor ihr.«
    Sich Tante Felicity als Mädchen vorzustellen, war keine einfache Aufgabe.
    »Jetzt mach mal kein so bestürztes Gesicht, Flavia! In meiner Jugend bin ich hier auf der Insel herumgesprungen wie eine Indianerprinzessin. ›Mu-nu-tonowa‹ habe ich mich genannt. Ich habe Rindfleischreste aus der Speisekammer gemopst und so getan, als würde ich mir Hundefleisch über einem Lagerfeuer braten, das ich mit zwei aneinandergeriebenen Stöcken und einer Handvoll Schnupftabak entfacht hatte.
    Später waren Harriet und ich, trotz des großen Altersunterschieds, die besten Freundinnen. ›Die verstoßenen Verdammten‹ nannten wir uns. Wir sind immer hier auf die Insel gekommen, um miteinander zu reden. Einmal - wir hatten einander länger nicht gesehen - saßen wir die ganze Nacht in Decken gehüllt in der Ruine und schwatzten drauflos, bis die Sonne aufging. Onkel Tar schickte uns den alten Butler Pierrepoint mit Plasmon-Keksen und Kalbsfußsülze herüber. Er hatte uns nämlich vom Fenster seines Laboratoriums aus gesehen und …«

    »Wie war sie denn so?«, unterbrach ich sie. »Harriet, meine ich.«
    Tante Felicity malte eine senkrechte dunkle Linie auf ihre Leinwand, die vermutlich eine der Eichen in der Einfahrt andeuten sollte.
    »Harriet war genau wie du. Was du sehr wohl weißt.«
    Ich schluckte. »Ehrlich?«
    »Aber ja! Das kann dir doch nicht entgangen sein!«
    Ich hätte ihr jetzt natürlich die Ohren mit den grässlichen Geschichten volljammern können, die mir Feely und Daffy immer auftischten, aber ich ließ es sein.
    Feind hört mit.
    Das hatte Dogger einmal zu mir gesagt, als ich ihm eine ziemlich persönliche Frage über meinen Vater gestellt hatte. »Feind hört mit«, hatte er geantwortet und sich wieder den verwelkten Blumen gewidmet, und ich hatte mich nicht getraut nachzufragen, wer mit dem »Feind« gemeint war.
    Damals wie jetzt hatte ich irgendetwas Unbefriedigendes gebrummelt.
    »Lieber Himmel, Kind! Wenn du deine Mutter sehen willst, brauchst du nur in den Spiegel zu schauen. Wenn du ihren Charakter kennenlernen willst, horch in dich hinein. Du bist ihr so ähnlich, dass es mir manchmal schon richtig unheimlich ist.«
    Na dann.
    »Onkel Tar hat uns damals im Sommer immer nach Buckshaw eingeladen«, erzählte sie weiter, ohne meine glühenden Wangen zu bemerken - vielleicht tat sie aber auch nur so.
    »Er hatte die sonderbare Vorstellung, dass die Anwesenheit junger Frauen das Haus auf irgendeine abstruse chemische Art und Weise zusammenhalten würde … Es hatte irgendetwas mit Bindungen und den beiden gegensätzlichen Erscheinungsformen des Karbonmoleküls zu tun. Tar de Luce war verrückt wie ein Märzhase, aber trotz alledem ein liebenswerter alter Herr.

    Harriet war natürlich sein Liebling, vielleicht deshalb, weil es ihr nie zu viel wurde, in seinem stinkenden Labor auf einem hohen Hocker zu sitzen und alles aufzuschreiben, was er ihr diktierte. Er nannte sie immer ›meine Zisch-bumm-Assistentin‹. Das war ein Scherz zwischen den beiden. Harriet hat mir erzählt, dass er sich auf ein spektakuläres Experiment bezog, das fürchterlich schiefging und Buckshaw

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