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Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - Bradley, A: Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - The Weed that strings the Hangman's Bag

Titel: Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - Bradley, A: Flavia de Luce - Mord ist kein Kinderspiel - The Weed that strings the Hangman's Bag Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Alan Bradley
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ich in Ruhe nachdenken und mich sammeln kann. Du kannst dir nicht vorstellen, wie es ist, wenn auf einmal alles zusammenbricht.«
    »O doch. Ich komme nämlich selber ziemlich oft hierher, wenn ich allein sein muss.«
    »Das habe ich anscheinend gespürt. Mir ist sofort Buckshaw eingefallen. Hier würde mich so schnell niemand suchen. Dabei war euer Haus nicht allzu schwer zu finden.«
    »Geh lieber wieder zurück, bevor jemand merkt, dass du verschwunden bist. Der Inspektor war nicht an der Kirche, als ich vorhin dort vorbeigekommen bin. Für die Beamten ist es gestern bestimmt sehr spät geworden. Da er dich schon vernommen hat, spricht nichts dagegen, dass du einen ausgedehnten Spaziergang gemacht hast, oder?«
    »Nein …«, erwiderte sie zögerlich.
    »Abgesehen davon«, setzte ich hinzu und war schon wieder einigermaßen gut gelaunt, »weiß ja außer mir keiner, dass du hier warst.«
    Nialla griff in das Seitenfach an der Tür des Rolls-Royce und zog ein Päckchen heraus. Es raschelte wie Wachspapier. Als sie das Päckchen in ihrem Schoß aufwickelte, fielen mir unwillkürlich die rasiermesserscharfen Falten im Papier auf.
    »Keiner weiß es«, sagte sie und reichte mir ein Gurkensandwich, »außer dir - und noch jemandem. Hier, nimm dir eins, dir knurrt bestimmt der Magen.«

22
    N a los! Mach schon!«, knurrte Dogger. Seine Hände zitterten wie die letzten beiden Blätter des Herbstes. Er sah mich nicht auf der Schwelle zum Gewächshaus stehen.
    Er hatte eine Klinge seines Taschenmessers aufgeklappt und versuchte sie umständlich an einem Wetzstein zu schärfen. Die Klinge fuhr auf der schwarzen Fläche hin und her und gab ein grässliches schabendes Geräusch von sich.
    Armer Dogger. Diese Anfälle überfielen ihn immer wieder ohne Vorwarnung, wobei sie von allem Möglichen ausgelöst werden konnten: von einem zur Unzeit gesprochenen Wort, einem Geruch, einem Melodiefetzen. Er war seinen Erinnerungen auf Gnade oder Ungnade ausgeliefert.
    Ich wich hinter die Gartenmauer zurück. Dann fing ich leise an zu pfeifen und steigerte die Lautstärke ganz allmählich. So hörte es sich an, als käme ich quer über den Rasen auf den Küchengarten zu. Auf halbem Weg zum Gewächshaus stimmte ich ein Lied an, eine Lagerfeuerweise, die ich gelernt hatte, kurz bevor man mich bei den Pfadfinderinnen rausgeworfen hatte:
    Wir lagen vor Madagaskar
Und hatten die Pest an Bord.
In den Kesseln, da faulte das Wasser,
und täglich ging einer über Bord …
    So schlenderte ich ins Gewächshaus.

    »Tach, Kumpel«, sagte ich mit zünftigem Pfadfindergrinsen.
    »McCorquedale? Bist du’s?«, rief Dogger. Seine Stimme klang so dünn und zittrig wie der Wind in den Saiten einer alten Harfe. »Ist Bennett bei dir? Habt ihr eure Zungen wieder?«
    Er lauschte mit schiefgelegtem Kopf, das Handgelenk schützend vor die Augen gelegt, die blinzelnd nach oben auf die gleißend blinkenden Oberlichter des Gewächshauses gerichtet waren.
    Mir war, als wäre ich in ein Heiligtum hineingestolpert, und ich bekam sofort eine ordentliche Gänsehaut im Nacken.
    »Ich bin’s, Dogger - Flavia«, sagte ich mit zugeschnürter Kehle.
    »Flavia?«
    Mein Name entwich seiner Kehle wie das Flüstern einer verwaisten Quelle.
    Er mühte sich sichtlich, in die Wirklichkeit zurückzufinden. Das Licht in seinen Augen kam nur ganz vorsichtig wieder an die Oberfläche wie Goldfische in einem Zierteich.
    »Miss Flavia?«
    »Tut mir leid.« Ich nahm ihm das Messer aus den zitternden Händen. »Habe ich es kaputt gemacht? Ich habe es mir gestern ausgeliehen, um ein paar Schnüre durchzuschneiden; vielleicht hat sich dabei die Klinge verklemmt. Wenn ich es kaputt gemacht habe, kaufe ich dir ein neues.«
    Natürlich hatte ich mir das alles eben ausgedacht - ich hatte das Messer nicht angerührt -, aber ich hatte die Erfahrung gemacht, dass unter gewissen Umständen eine kleine Flunkerei nicht nur entschuldbar ist, sondern ein rechter Segen sein kann. Ich klappte das Messer ganz auf und führte es in ordentlichen Kreisen über die Oberfläche des Steines.
    »Nein, es ist noch in Ordnung«, sagte ich. »Puh! Ich hätte bestimmt ziemlichen Ärger gekriegt, wenn ich dein bestes Messer versaubeutelt hätte, was?«
    Ich klappte die Klinge wieder ein und reichte ihm das Messer.
Dogger nahm es entgegen. Seine Hände zitterten schon nicht mehr so schlimm.
    Ich drehte einen leeren Eimer um und setzte mich darauf. Dann schwiegen wir eine Weile gemeinsam.
    Schließlich sagte ich:

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