Fleckenteufel (German Edition)
eine grüne Flüssigkeit. Eine seltsame Unruhe ergreift uns, ich bebe vor Erregung. Schließlich halte ich es nicht mehr aus. Meine Hand legt sich wie von selbst auf Andreas’ Knie und wandert zu seinem Schritt. Ich knete und drücke, es ist mir entsetzlich peinlich, aber ich kann nicht anders. Andreas lässt es wortlos geschehen, dann dreht er seinen Kopf zu mir und schürzt die Lippen. Ich stecke ihm meinen Mittelfinger in den Mund, er fängt gierig an, ihn zu lecken und an ihm zu saugen, bis sein Speichel ganz schaumig ist. Dann küssen wir uns endlich. Er hat eine kleine, spitze Zunge, die mein Ohr leckt und geile Worte sagt. Die Küsse werden immer drängender, ich lege mich auf ihn, und wir reiben unsere duftenden, feingliedrigen Jungenkörper aneinander, bis es uns bei geschlossener Hose kommt. Endlich. An Andreas’ verwaschenem Gehäuse bildet sich ein großer, feuchter Fleck.
Ich starre in den Gang. Was ist da bloß?
Ich sitze im Wohnzimmer. An einer riesigen Tafel hocken mindestens fünfzig Leute, die ich nicht kenne, und essen Braten mit Kartoffeln und Soße. Der Raum steht knietief unter Wasser.
Aus dem Keller ein tiefes Wummern und Schaben und Brummen. Was macht mein Vater da nur? Auch die Vögel zwitschern ganz unnatürlich laut und schrill, das Gebälk ächzt und stöhnt.
Meine Mutter steht vor dem großen Flurspiegel. Sie reißt sich die Nasenhaare heraus. Die Haare sind bestimmt einen Meter lang. Hinter ihr steht Wolfram Steiß, der ganz anders aussieht.
Andreas und ich hocken nackt auf dem Dachboden. Wir schauen in den dunklen Gang hinein, trauen uns aber immer noch nicht. Andreas hat eine Plastiktüte mit einem D-Böller-Schinken. Wir prokeln das Schwarzpulver raus und basteln daraus Bomben.
Der Dachboden ist ganz unnatürlich in die Länge gezogen. Oma hilft beim Schwarzpulverprokeln und singt alte Lieder. Sie hat kein Gebiss drin.
Andreas, meine Schwester und ich ziehen durch die Nachbarschaft und lassen Briefkästen und Vogelhäuser hochgehen.
Ich steige eine Treppe hinauf. Meine Mutter liegt nackt auf der obersten Stiege. Als ich über sie drübersteige, schnappt sie nach mir. Ich falle die Treppe hinunter.
Aus dem Keller das Wummern der Backmaschine, aus der Küche ein hohes Sirren, Fiepen und Kreischen. Ich schleiche nach unten, um zu sehen, was da vor sich geht: Mein Vater knetet stöhnend und mit blutunterlaufenen Augen den Teig, im Wohnzimmer zerlegt Mutter mit einem Fleischermesser den Weihnachtsbaum.
Andreas ist ganz groß und dick. Wir vergessen alle Vorsicht und wagen uns ein paar Meter in den Gang hinein. Das ist vielleicht geil, weil wir uns nicht mehr sehen, sondern nur noch fühlen. Je tiefer wir in den Gang kriechen, desto ärger wird es.
In einem Zimmer, das ich noch nie gesehen habe, reibt sich Mutter mit puterrot angeschwollenem Kopf wie ein Wild an der Wohnlandschaft. Ich habe Angst und laufe nach draußen in den Garten.
Vater mäht den Rasen, und das im Winter: Er schiebt bibbernd den Mäher mit seinem riesigen, harten Riemen vor sich her und treibt ihn mit heftigen Stößen immer tiefer in die schneebedeckte Rasenfläche. Mutter kommt ebenfalls herausgerannt, beobachtet das Schauspiel und schreit und brüllt vor Erregung.
Plötzlich ist es sehr heiß. Meine Schwester steht vor dem Zaun des Nachbargartens und füttert ein Pferd. Das Pferd beißt ihr eine Hand ab und schluckt sie hinunter. Meine Schwester hält ihm auch die andere Hand hin. Das Pferd beißt die Hand ebenfalls ab. Meine Schwester weint.
Andreas und ich reiben unsere ausgemergelten Jungenkörper aneinander und brüllen uns mit wundgelutschten Lippen geile Worte ins Ohr. Vater kommt nicht mehr durch die Tür, weil sein Johannes angeschwollen ist wie ein riesiges Schwert und sich verhakt. Es ist furchtbar. Wir sind in eine grauenvolle Falle geraten, aus der es kein Entrinnen gibt.
Oma liegt in einem Krankenhausbett. Ich streichle ihr über den Kopf, dabei fallen ihr alle Haare aus.
Andreas sieht wieder normal aus. Wir dringen immer weiter in den Gang vor. Das gibt’s doch nicht, der muss doch irgendwann mal zu Ende sein! Wieso ist Andreas nur so schnell? In einem affenartigen Zahn krabbelt er vor mir her, ich komme nicht mehr mit. «Andreas, du Bock, warte, ich halt es nicht mehr aus», blöke ich in die Dunkelheit. Doch er ist längst aus meinem Blickfeld verschwunden, und bald höre ich ihn auch nicht mehr, sosehr ich auch lausche. Ich weine, bettele und flehe, doch vergebens, es bleibt still.
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