Flederzeit - Riss in der Gegenwart (Historischer Roman): 2 (German Edition)
auf.
„Macht auf, Junkfrau!“, brüllte eine Männerstimme. „Der Graf verlangt nach Euch. Und Ihr sollt sie mitbringen.“
Helene gab Mila zu verstehen, sich in eine versteckte Ecke zurückzuziehen, während sie – begleitet von ungeduldigem Rufen von draußen – aufschloss.
Im selben Augenblick wurde die Tür aufgestoßen und zwei Wachen stürmten herein.
Helene taumelte rückwärts, rief ihnen empört nach: „Was fällt Euch ein? Dieses Zimmer gehört dem Junker, wie ...?
„Graf Meinhard will Mila, die Zauberin.“
Die hörte noch Helene erschrocken japsen – während ihre eigene Verblüffung in einen verzweifelten Schrei mündete, als die Männer sie zu fassen bekamen und mit sich zerrten. „HILFE!“
Die beiden stießen Mila durch die Treppenhaustür, sodass die ältere Dienerin beiseitegeschubst wurde und von Neuem zu zetern anfing. „Beeilt Euch, Junkfrau, schnell, der Graf ist wirklich wie von Sinnen.“
Helene hatte sich bereits an Milas Fersen geheftet.
Die enge Treppe wäre fast zerborsten, als sie sich im Pulk alle miteinander abwärts drängten.
Graf Vinzent von Tyrol
M atthias war gerade bei der farbigen Schilderung eines Einarmigen Banditen angelangt, als er die Stimme von draußen hörte.
„Junker Johann, seid Ihr hier?“
„Ja! Verdammt nochmal, wo bleibt ihr erbärmlichen Memmendenn so lange?“ Johann war auf den Füßen, ehe Matthias auch nur einen Gedanken daran gefasst hatte, und trommelte auf den Fels ein. „Zieht diesen Brocken weg.“
Schweigen von draußen, keine Reaktion.
„Was ist?“ Johann schob sich an den Lichtspalt und versuchte, hinauszuspähen.
„Herr, Graf Meinhard, Euer Vater, hat mich beauftragt, Euch auszurichten ...“
Doch Johann ließ ihn nicht weitersprechen. „Kein langes Gerede jetzt, fangt endlich an!“
Matthias nahm den Rucksack an sich und zog sich vorsorglich ein Stück zurück. Man konnte ja nie wissen.
Zunächst jedoch geschah gar nichts. Dann endlich wieder die Stimme, diesmal verzagt: „Herr, ich fürchte, das kann ich nicht.“
„Was soll das heißen?“ Johann klemmte noch immer am Spalt, scharrte mit den Händen, als könnte er ihn so vergrößern. „Ich kann dich sehen, Heinrich. Aber wo sind die anderen?“
„Genau das ist das Problem.“
„Soll das heißen, du bist alleine?“
„Herr, Ihr hattet mir doch einen Auftrag gegeben. Den habe ich erfüllt, dann ist etwas geschehen und ich bin eilig zurückgekehrt.“ Die Stimme dieses Heinrichs klang mittlerweile einigermaßen verzweifelt. „Ihr müsst sofort mit mir nach Ernberg kommen, Euer Vater, er ist außer sich.“
Da war etwas im Busch, Matthias war ganz sicher.
Nur Johann schien Heinrichs Eindringlichkeit nicht zu erreichen. „Wo ist Hugubert?“
Erstauntes Schweigen von draußen. Dann sehr zögerlich: „Herr, Ihr seid alleine? Ich dachte ... ist er nicht bei Euch?“
„Kannst du mir mal verraten, wie du uns hier rausholen willst, Heinrich?“ Johann brüllte und knallte seine geballte Faust auf den Fels.
„Uns?“ Heinrichs Stimme war unterwürfig und bestürzt, dennoch voller Neugierde. „Seid doch nicht nur Ihr da drin, Herr?“
Johann knurrte nur.
Was wiederum Matthias auf den Plan rief. „Ich habe ein Seil. Wenn Ihr es um einen Baum schlingen könntet ...“
„Ein Seil? Das ist gut. Mit meinem Pferd kann ich den Stein vielleicht ein Stück zur Seite ziehen.“
Und so war es auch. In tapferem Einvernehmen, eng Seite an Seite, legten sich Matthias und Johann ins Zeug, schoben am Fels, als sich das Seil unter dem anziehenden Pferd spannte. Es knirschte und ratschte – und schließlich ruckte der Brocken ein Stückchen. Und dann noch eines.
„Nichts wie raus“, kommandierte Johann und quetschte sich durch den entstandenen Spalt.
„Herr, gut, dass Ihr frei seid, ich habe wichtige Nachrichten für Euch.“ Heinrichs Stimme hatte eine neue Färbung angenommen, unterwürfiger, ängstlicher. „Graf Meinhard, Euer Vater ...“
„Ich weiß, wer mein Vater ist“, knurrte Johann, während Matthias erst den Rucksack, dann sich selbst durch den Spalt schob.
Verdammt, war das eng. Er atmete aus, quetschte, drückte, knirschte mit den Zähnen, japste nach Luft, versuchte sich weiterzuschieben. Vergeblich, er hing fest. Hilfe – wollte er rufen, bekam jedoch nur ein gestöhntes Röcheln zustande. Mit Armen und Beinen zappelnd, um Atem ringend und zu keinem Wort fähig, konnte er nur mit ansehen, wie Heinrich, ein großer blonder Junge,
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