Flederzeit - Riss in der Gegenwart (Historischer Roman): 2 (German Edition)
Haltung annahm, ein tragisch-ernstes Gesicht aufsetzte und leise sagte: „Herr, Eure Mutter, die gnädige Senta von Lähn, ist ...“ Er brach ab, räusperte sich und holte erneut Luft: „Euer Vater braucht Euch, Ihr sollt dringend nach Ernberg zurückkehren.“
„Was ist?“ Jetzt endlich hatte Johann erreicht, dass etwas wirklich Wichtiges passiert war, dem er unverzüglich seine durchlauchte Aufmerksamkeit widmen sollte. Das tat er dann auch – mit aller ihm zur Verfügung stehenden Autorität:
„Hosenschisser, so rede endlich. Was ist mit meiner Mutter?“
„Etwas Schlimmes ist passiert“, setzte Heinrich an. „Euer Vater vermutet Dämonenwerk ...“
„Was?“
Ein Schrei, dann hing Johann an Heinrichs Kehle. „Red oder ich erwürg dich.“
Matthias ruckte inwendig und äußerlich. Etwas riss – und er war endlich frei. Tief Luft holend, konzentrierte er sich ganz auf den unglücklichen Heinrich, dessen große Hände nun mit einiger Verzweiflung durch die Luft flogen. Er krächzte: „Eure Mutter ... tot.“
Tot – peitschte Matthias in den Ohren. Während er Johann erstarren sah, hatte er sofort die rundliche Frau vor Augen, die ihm Ilya damals so überraschend bereitwillig ausgehändigt hatte. Gesund und munter hatte sie da gewirkt. In den höchsten Tönen hatte Mila von ihr gesprochen. Und nun? Tot.
„Du lügst!“ Johann hielt Heinrich im Würgegriff.
Der röchelte, setzte sich aber nicht zur Wehr. Dabei war er mit Sicherheit stärker als Johann. Sein Gesicht lief dunkelrot an, aber noch immer keine Reaktion von ihm.
„Lass los!“, warf sich nun Matthias dazwischen, packte Johanns Arme und zerrte die beiden auseinander. „Er ist nur der Überbringer der Nachricht, nicht deren Verursacher.“
Seltsamerweise wirkte das. Johanns Hände lösten sich von Heinrichs Hals. Einen Moment stand er noch still, wankte benommen.
„Herr, Ihr sollt sofort nach Ernberg kommen. Euer Vater, der Graf ...“
Da nickte Johann. „Dein Pferd“, herrschte er Heinrich an, riss im nächsten Moment schon die Zügel an sich und schwang sich mit einem Satz in den Sattel. „Du kommst nach.“ Dann wies er mit dem Kinn auf Matthias. „Und pass auf den Gefangenen auf. Er darf nicht entkommen! Du wirst mir mit deinem Leben für ihn bürgen.“
„Aber Herr ...“ Kopfschüttelnd sah Heinrich dem Junker hinterher, der schon einen Moment später samt Pferd im Wald verschwunden war. Nur noch unwilliges Schnauben und der feste Tritt des Tieres waren zu hören. „... drunten im Ort stehen doch noch zwei Pferde“, vollendete er schließlich seinen Satz. „Und die sind, im Gegensatz zu meinem, völlig ausgeruht und frisch.“
Matthias sah sich um. Wahrscheinlich war es am besten, wenn er hier und jetzt zusah, dass er Abstand zwischen sich und diesen Heinrich bekam, solange der noch so hübsch verwirrt war. Unauffällig ging er ein paar Schritte. Weg von der Höhle, auf die Bäume zu. Wenn er selbst nicht den Weg durch den Wald, sondern den am Bach entlang nahm ... Ab Kleinstockach konnte er dann die Straße verlassen und sich über den Alpkopf zum Thaneller durchschlagen.
Bis Heinrich erst nach Ehrenberg und dann mit Johann zu Milas Hütte zurückgekehrt war ... Wenn er schnell genug wäre, hätte er ausreichend Zeit, um Mila und Ilya zu holen und ... Tja, und dann? Wohin flüchtete man im Mittelalter mit Frau und Kind? Ohne Geld, ohne Beruf und irgendwelche Papiere? Im Gegenteil, ruckzuck als Dämon identifiziert, gefürchtet, verschrien. Aussichtslos.
„Halt!“
Ein paar hastige Schritte hinter ihm. Matthias wurde ebenfalls rascher. Was in dem steilen Gelände nicht unriskant war. Fast rannte er.
Da sah er sie am Boden liegen. Seine Pistole. Ruckartig hielt er an, bückte sich, hob sie auf. Johann musste sie in der Eile verlo...
„Bleib hier!“ Eine schwere Hand knallte auf seine Schulter.
Matthias fuhr herum, die Waffe erhoben. Welch Unglück, dass sie nicht geladen war. Und welch doppeltes Pech, dass sich sein Gegenüber nicht im Mindesten dadurch beeindrucken ließ. Aber wenigstens zuschlagen würde er damit können! Er holte aus. Doch Heinrichs Faust kam ihm zuvor, donnerte auf seine ein, schlug ihm die Waffe aus der Hand. Die einen hübschen Bogen beschrieb, ehe sie genau dort landete, wo sie eben noch gelegen hatte.
Scheiß-Mittelalter, wo man noch nicht mal Pistolen kannte! Hätte er nicht irgendwann im siebzehnten Jahrhundert landen können? Da würde die Menschheit wenigstens schon so
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