Flederzeit - Riss in der Gegenwart (Historischer Roman): 2 (German Edition)
wo sie den noch leeren Pfad im Blick hatte.
Es dauerte eine Weile – aber dann machte ihr Herz einen jubelnden Sprung. In der Ferne war tatsächlich eine menschliche Gestalt aufgetaucht. Eine ganz normal gekleidete allerdings. Keine grellen Zukunftsfarben. Und mit einem Umhang, der hinter ihr her flatterte. Vielleicht hat Mattis sich extra passend für diese Zeit gekleidet? Das konnte schließlich sein, immerhin war er ja absichtlich hier.
Die Person näherte sich im Laufschritt. Und je näher sie kam – Milas Herz zog sich enttäuscht zusammen – desto deutlicher wurde, dass es sich um eine Frau handelte. Die Ernüchterung machte ihre Beine ganz schwach. Sie ließ sich gegen die hölzerne Hüttenwand sinken und schloss die Augen. Wer auch immer das war, es interessierte sie nicht.
„Mila?“
Die Stimme jedoch kannte sie.
„Mila, da bist du ja! Hach, ist das toll, dich wiederzusehen.“
Brigitte? Brigitte aus dem zwanzigsten Jahrhundert? War – zurückgekehrt?
„Hey, ich hatte gehofft, dass ich dich so einfach wiederfinden würde.“
Im nächsten Augenblick war sie bei ihr und riss Mila begeistert an sich, zerdrückte sie fast. „Ist das toll. Es ist toll! Ich habe es geschafft. Ich bin tatsächlich hier.“
„Das ist wirklich – toll.“ Mila hatte sich erst einmal aus der Umarmung befreit.
Obwohl sie sich auch freute. Die andere zu sehen, klar, aber auch, weil ihr gelungen war zurückzukehren. „Es ist also möglich“, musste sie laut aussprechen. „Du bist zum zweiten Mal hergekommen.“
Ganz verändert sah die Frau aus der Zukunft aus. Trug die das letzte Mal langen Haare viel kürzer. Merkwürdig, aber sehr kunstvoll abgeschnitten. Dafür hatte sie sich tatsächlich unauffällig angezogen. Rock und Bluse bedeckten Arme und Beine und waren aus grobem Nessel. Wirkten ganz normal.
„Ja, ich habe es geschafft. Wie dein Frank, nicht wahr? An ihn habe ich die ganze Zeit gedacht, während ich es versucht habe.“
„Du wolltest es?“
„Sonst hätte ich mich kaum noch mal von diesen Flederbiestern beißen lassen.“ Brigitte lachte und rieb sich Oberarm und Schulter. „Obwohl der erste Biss nicht geholfen hat. Ich musste zwei Tage in der Höhle zubringen. Habe den Fledermausschwarm hin- und hergescheucht. Und ich habe mich mit LSD stimuliert.“
„Ellesdee?“
„Eine bewusstseinserweiternde Droge“, erklärte Brigitte eifrig, als ob Mila das helfen würde. „Weißt du nicht mehr? Beim ersten Mal habe ich doch einen Joint geraucht. Und als es diesmal nicht gleich geklappt hat, bin ich darauf gekommen, es so zu probieren. Hasch war in diesem Kaff Reutte nicht zu kriegen. LSD ist neuerdings auch verboten, aber da hab ich so einen Irren in einer Berghütte aufgetan, der das Zeug flaschenweise hortet. Was soll ich sagen? Plötzlich konnte ich mich viel leichter auf euch hier konzentrieren, hab mir euch so detailliert wie möglich vorgestellt. Vor allem Johann.“ Sie lächelte verschmitzt und leckte sich die Lippen. „Naja – und da bin ich.“
„Zu Johann willst du also?“ Sie liebte ihn also doch? Und wenn Mattis mich auch liebt, dann wird er der Nächste sein. Könnte er nicht auch auf die Idee kommen, diese Ellesdroge zu Hilfe zu nehmen?
Brigitte hob ihre Hände, als wollte sie sich ergeben, und lachte. „Weißt du, das Leben zu meiner Zeit ist einfach schrecklich langweilig. Alles ist geregelt. Arbeiten, Steuern zahlen, einkaufen. Seit meiner Trennung von Michael sind die Partys am Wochenende noch das aufregendste. Sich dabei von einem Mann abschleppen lassen. Am nächsten Morgen aber ... Wirklich wahr, die Männer bei uns sind alle miteinander Weicheier und Schlappschwänze, kriegen nichts auf die Reihe, halten nichts aus.“ Sie schnaubte verächtlich.
Plötzlich sah sie müde aus, resigniert, fast bitter. Was so überhaupt nicht zu ihr passte. Mitfühlend hatte Mila die Hand nach ihr ausgestreckt.
Brigitte jedoch schüttelte den Kopf, heftig, ihre Schultern wackelten mit. „Verstehst du?“ Sie sah Mila an, nun trotzig, mit neuer Vehemenz. „Wenn das Leben so sein soll, so lapidar und belanglos und langweilig und einsam – dann mache ich da nicht mit.“ Nun trat ein neuer Ausdruck in ihr Gesicht. Verklärung. Ehe sie in verändertem Ton fortfuhr: „Johann ist ohne Zweifel das Aufregendste, was mir je passiert ist. Also du natürlich auch“, fügte sie hastig hinzu. „Wir hatten doch viel Spaß damals, oder?“
Spaß? Mila verzog ein bisschen gequält das
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