Flederzeit - Sturz in die Vergangenheit (Historischer Roman): 1 (German Edition)
Ilya – der hoffentlich nicht wie am Spieß brüllt und zappelt – und fliehe mit ihm erst einmal in den Wald, den Tauern hinauf. Kennst du den großen Wasserfall?“ Und auf ihre Bestätigung hin: „Dort warte ich auf dich.“
„Du wirst das doch schaffen? Bist du wirklich gesund genug?“
Die plötzliche Angst in ihrer Stimme machte ihn ganz beklommen. Er quälte sich wieder auf die Füße und legte beruhigend seine Hand an ihren Arm. „Keine Sorge, ich kriege das hin. Wenn du nur ...“
„Das wird klappen, darüber mache ich mir keine Gedanken.“ Mila hustete. „Also, ich gehe dann jetzt.“
Gerade wollte sie loslaufen, da ruckte Matthias ihr nach, packte sie am Handgelenk. „Halt!“
Eine Bewegung an der Tür der Hütte. Seine Reflexe funktionierten einwandfrei.
In dem Moment hatte es auch Mila gesehen. „Er kommt heraus. Zurück!“ Nun war sie es, die Matthias rückwärts in die Büsche ziehen musste. Matthias, der doch noch vor Schreck erstarrt war.
ER. Er war herausgekommen. Iven. Dieser Mann dort vor dem Haus von Johanns Mutter – war niemand anders als – Iven. Lidas Iven. Elias’ Vater.
Seine Beine stolperten neben Mila ins Leere. Verdammt. Was zu viel war, war zu viel. Er machte nicht mehr mit.
Und das musste er auch gar nicht. Schließlich war er eigentlich überhaupt nicht hier. Sondern verrückt. In Wirklichkeit lag er wahrscheinlich in einem weichen, gemütlichen Krankenhausbett in einer sterilen, übersichtlichen, klimatisierten psychiatrischen Abteilung – vollgepumpt mit dubiosen Medikamenten, die ihm vorgaukelten, er befände sich in der Geschichte, die seinen wirren Gedanken entsprang.
So, das Rätsel war gelöst. Nun konnte er endlich aufwachen.
Zwei Atemzüge später war er noch immer hier. Neben Mila. Aufgebracht machte er sich von ihr los.
Gut, er war offensichtlich hier gefangen, hatte nicht die Freiheit aufzuwachen. Aber dann würde er sich eben anders entziehen. Würde sich jetzt hier unter diesen Holunderstrauch legen und so lange liegenbleiben, bis es vorbei war.
„Mattis, was hast du? Was ist mit dir? Ist das Flederfieber doch schon ausgebrochen? Schaffst du es nicht mehr, Ilya zu holen?“ Mila redete auf ihn ein, zerrte an ihm.
Diese Welt zerrte an ihm! Aber er würde nicht mehr ...
„Bitte, Mattis, kannst du dich nicht zusammenreißen? Wie soll ich es denn ohne dich hinbekommen? Und du kannst dich ja auch noch ausruhen, ich brauche doch sowieso noch eine Weile, bis ich Johann so weit habe, dass du ...“
„Er ist Ilyas Vater“, stieß Matthias hervor.
„Was? Äh ... ja, das ist er.“ Verständnislos. Sie hatte keine Ahnung, was diese Tatsache bedeutete. „Warum ...?“
Er griff brutal in den Busch und rupfte eine Handvoll Blätter ab. „Weil er auch Elias’ Vater ist und Lidas jetziger Mann.“ Seine Hand spie die Blätter geradezu von sich. „Und weil das der Beweis ist, dass ich spinne, dass all das hier nur in meinem Kopf stattfindet. Deshalb müssen wir weder Ilya retten noch sonst jemanden. Alles, was wir tun müssen, ist, abzuwarten, bis ich endlich aus diesem Albtraum erwache. Und das werde ich jetzt. UND NICHTS ANDERES.“
Mit einem groben Hieb schüttelte er die Frau ab, die schließlich eine Fremde für ihn war, und ließ sich endlich im Moos unter dem Strauch nieder.
„Oh Mattis, das ... das tut mir leid. Ich ...“ Unschlüssig trat Mila von einem Fuß auf den anderen. Doch dann setzte sie sich neben ihn – und griff nach seiner Hand.
Diese unmittelbare Berührung ließ Matthias nach Luft schnappen. Machte ihm bewusst, wie sehr er sich mittlerweile von dem bloßen Augenschein abgeschottet hatte, wie gut es ihm gelungen war, in jeder einzelnen Sekunde zu wissen: Dies ist nicht Lida, dies ist nicht Lida. In diesem Augenblick war er plötzlich wieder nur reine Empfindung. Die Empfindung der Form, der Kraft, der Wärme – dieser Hand, die seine fest und zugleich zärtlich umschlossen hatte. Der Hand, die ihm nach all den Jahren so vertraut war. Die einzige auf der Welt, die in der Lage war, ihn wirklich zu berühren.
„Dieser Iven ist der Grund, weswegen du nicht zu ihr zurück kannst, nicht wahr?“
„Liebst du ihn?“ Matthias war total bescheuert, dass er das ausgesprochen hatte, aber letztendlich war es doch sowieso egal.
Mila musste erst schlucken, ehe sie ihr 'Nein' ausspucken konnte.
„Also ja.“ Doch auch das war egal, einfach nur egal, egal, egal.
„Er ist ein gemeiner Schuft, ihn kann man gar nicht
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