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Flegeljahre am Rhein

Flegeljahre am Rhein

Titel: Flegeljahre am Rhein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Ruland
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sich. Männe malt gerade wieder ein dickes Ausrufungszeichen, unterstreicht anerkennend einen Satz, schmunzelt. Sein kleiner Schnauzbart wackelt in hellster Begeisterung.
    Hatte Mathilde eben nicht etwas gesagt?
    Für private Dinge hat Tithemi erst am Sonntag Zeit.

    ☆

    „He, zehn Uhr! Sie wissen doch, daß ich nach zehn Uhr keinen Damenbesuch mehr dulde. Also, ich warte bis... „
    Das letzte kann Bobby nicht mehr verstehen. Seine Wirtin poltert heftig mit beiden Fäusten auf die Tür. Bobbys Wirtin ist sehr energisch. Mir der ist nicht gut Kirschen essen. Einmal hat sie... Man weiß nicht mehr genau, wie es war, und außerdem soll man einem anständigen Mädchen nichts nachsagen. Bobby weiß, was sich gehört. Zudem ist er schon vierundzwanzig Jahre alt, ein Spätberufener sozusagen, der nach Rheinstadt gekommen ist, um sich Ostern als reif für das Leben erklären zu lassen.
    „Damit Sie Bescheid wissen, es ist jetzt schon drei Minuten nach zehn!“

    ☆

    „Jubelnd und wie die Königin der Freude schreitet sie...Moment mal, „wandelt“ ist wohl besser. Nein, „tänzelt“ ist wohl das Richtige... Nicht so einfach. „Hüpft“? Ich Idiot! Himmel — schon zehn Uhr... Quatsch mit Soße, ich schreibe ihr einen ganz gewöhnlichen Brief. Dichten liegt mir doch nicht... Sie versteht schon, worauf es ankommt. Mit Schwung werde ich ihr etwas hinlegen, etwas mit Eros...
    Civilis quasselt vor sich hin. Er zückt seinen Füllfederhalter und schreibt. „Sehr geehrtes…“ Da kratzt er sich bedenklich hinter den Ohren. „Gnädiges“ ist ihm zu blöde. Was heißt das schon, „gnädig“? Civilis will keine Gnade. Civilis will Hingebung, die aus dem Herzen kommt. Er zerreißt den Bogen, dreht sich eine neue Zigarette. Seine kleine Bude, behaglich möbliert, ist in dichten Qualm gehüllt. Qualm gehört zum Dichten. Civilis versucht es noch einmal. Ein Gedicht zieht doch besser.... Überschrift: „An Hilde.“ Die erste neue Zeile berechtigt zu den schönsten Hoffnungen: „Heiß ist mein Trieb nach Deiner Liebe...“

    ☆

    „Endlich alle im Bett. Schon zehn Uhr. Das ist viel zu spät für die Kinder, Frauchen.“
    Kilian tritt an das Fenster seines Studierzimmers
    und blickt hinaus in den wundervollen Frühsommerabend. So, jetzt kann er noch eine Stunde mit sich und seiner Frau allein sein, mit Apollonia, wie seine Kerls von der Oberprima die herzensgute, gemütvolle Frau genannt haben. Apollonia kennt alle Oberprimaner, weiß um die Sorgen und Nöte eines jeden. Jeder der dreiundzwanzig ist schon einmal bei Kilian im Hause gewesen. War das wieder eine Arbeit! Bis der achtjährige Otto gewaschen, bis die muntere Rita ausgezogen war, bis das kleine Klärchen, das Küken, ihr Geschäftchen erledigt und das Möpschen sein Nachthemd gefunden hatte, bis der pfiffige Andreas die Schuhe von allen gesammelt und in die Waschküche getragen und Röschen das Töpfchen wieder an den richtigen Platz gestellt hatte, bis Heinz, der Älteste, Quartaner schon, einsah, daß es auch für ihn die allerhöchste Zeit sei, ins Bett zu gehen...
    Apollonia kann wirklich nicht alles allein bewältigen. Vater sein —ist das wirklich schwer? Kilian sagt nein und beweist, daß es wirklich leicht ist. Apollonia sitzt auf der Chaiselongue und stopft Strümpfe, flickt Hosen, näht Höschen. Kilian wollte auch das immer schon lernen.

    ☆

    „Von zehn Uhr bis morgen früh sieben Uhr — das sind neun Stunden Schlaf... Na, das geht ja noch...“
    Sauerbrunnen zieht seinen Rock aus, gähnt und freut sich auf das Bett. Er hat den ganzen Nachmittag seinem Vater im Garten geholfen. Geld hat er meistens keins. Er ist froh, daß er das Schulgeld zusammen bekommt. Physik und Chemie liegen ihm sehr. Besonders, wenn er sie in der Erdkundestunde, bei Balduin, anbringen und praktisch erproben kann.
    Sauerbrunnens Bauchumfang läßt sich aus seinem Gewicht und seiner Größe errechnen. Genaue Angaben fehlen. Fünf Minuten nach zehn Uhr liegt Sauerbrunnens Zimmer in tiefem Dunkel. Zehn Uhr vierzehn Minuten vernimmt man lautes Schnarchen.

    Was bloß schon wieder mit Gupps Uhr los ist! Da zeigt sie, ganz verrückt, zwanzig nach zehn an, und dabei schlägt es eben erst zehn! So etwas Blödes! Gupp schüttelt kräftig mit seinem linken Unterarm, um damit die dort befestigte Armbanduhr zum Langsamergehen zu bewegen. Gupp dreht die Zeiger auf ihren richtigen Platz... Und wenn das Luder jetzt wieder vorgeht, dann soll es etwas erleben.
    Gupp sitzt an seinem

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