Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Flegeljahre am Rhein

Flegeljahre am Rhein

Titel: Flegeljahre am Rhein Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Bernd Ruland
Vom Netzwerk:
Vorder- oder Nebenmann etwas zu erfahren.
    „Ich bitte nochmals dringend, austreten zu dürfen! Andernfalls können Folgen von nicht zu übersehender Tragweite eintreten ..
    Schwamm liebt keine Verantwortung für unübersehbare Folgen. Wenn ein Primaner dringend austreten muß, dann wird das wohl seine Richtigkeit haben.
    „Gehen Sie. Aber in...“ — Schwamm zieht seine Sprungdeckeluhr — …in längstens drei Minuten wünsche ich Sie wieder hier oben zu sehen. Ich hoffe, daß Sie bis dahin... öh...“
    Schon gut, Gupp ist längst an der Türe, hat einen gewichtigen Schlüssel vom Haken hinter der Tafel genommen und ist draußen verschwunden. Schwamm setzt sich jetzt doch wieder auf das Katheder und läßt die Fenster öffnen. Frische Luft strömt herein. In der Ferne orgelt ein Leierkastenmann...
    „Bröcher, sehen Sie einmal nach, wo Hekker bleibt! Ich wünsche einen genauen Bericht!“
    Die drei Minuten, die Gupp draußen bleiben durfte, um die „unabsehbaren Folgen“ abzuwenden, sind längst verstrichen.
    Wo steckt Gupp? Da stimmt etwas nicht... denkt Schwamm und vermutet auch die Klasse. Gupp wird doch wohl in drei Minuten ungestörten Suchern die richtige Stelle in der Übersetzung gefunden haben! Was sage ich da? Gupp ist doch ausgetreten! Zum Beweise hat er sogar den Schlüssel vom Haken genommen.
    Bröcher ist wieder da.
    „Ich habe Hekker nicht finden können. Ich glaube, daß er...“
    „Glauben Sie nicht falsch! Arbeiten Sie weiter, Bröcher. Da ist etwas faul. Ich werde den Fall untersuchen.“
    Die Stunde rinnt langsam dahin.
    Die Gesichter werden röter und röter. Die Linien und Zeilen der Klassenarbeitshefte füllen sich mehr und mehr.
    Bald wird es schellen.
    Es hat schon geschellt.
    „Hefte zu! Einsammeln!“
    Schwamm hat es immer eilig. Schwamm arbeitet nie eine Minute über die Zeit.
    Das wäre wieder geschafft! Die Oberprima atmet erleichtert auf. Sauerbrunnen packt seine Brötchen aus und futtert. Was geht ihn die Arbeit noch an? Ein Teil der Klasse debattiert. Das mußte so sein; das konnte nur so lauten; nein, anders; da gab es nur d i e Möglichkeit; verdammt nochmal, ging das denn nicht? Tacitus hat es gewiß so aufgefaßt, als ob... Und schon haben einige entdeckt, daß sie diesen oder jenen Fehler gemacht haben.
    Plötzlich geht die Tür auf. Er erscheint — Gupp. Nanu, wie siehst du denn aus? Verstaubt die Hose, verdreckt der Rock, verrutscht die Krawatte. Im Gesicht eine Schramme. Bist du etwa auch über ein Törchen gefallen, Gupp?
    „Mensch, was haben sie denn mit dir gemacht?“ Gupp grinst nur. Wie immer, wenn er etwas hinter sich hat. Gupp setzt sich quietschvergnügt auf seinen Platz, als sei überhaupt nichts geschehen. Er wird von der ganzen Klasse umringt. Silentium für den Senior der Klasse! Gamaschke stellt sich als Posten an die Türe. Gupp berichtet. Also, das war so:
    Um Zeit zu sparen, will sich Gupp den Weg bis zum Schulhof, an dessen einem Ende die „Anstalt“ für Schüler liegt, sparen. Statt dessen schleicht er auf den „Lehrerwinkel“, der im Schulgebäude untergebracht ist. Sich einfach auf den Flur zu stellen, um dort die richtige Stelle in der Übersetzung zu suchen, erscheint ihm doch zu gefährlich.
    Gupp schlüpft also in den geheiligten Ort, schließt behutsam die Tür, um in aller Ruhe arbeiten zu können, hat bald die richtige Stelle gefunden, reißt die Blätter los, klemmt sie mit einer Büroklammer auf die linke Manschette, um in der Klasse unauffällig ihren Inhalt abschreiben zu können, will siegesbewußt hinausgehen, bekommt aber einen fürchterlichen Schreck weil — die Türe verschlossen und nicht zu öffnen ist.
    Oberprimaner Hekker sitzt gefangen. Eingesperrt in akademisch umhauchter Klause... Nein, nicht auszudenken. Seine Haare sträuben sich. Er fühlt Angstschweiß. Gupp wünscht sich auf seinen Büroschemel zurück, den er freiwillig mit der Schulbank vertauscht hat.
    Überlegungen helfen nicht. Die Türe bleibt versperrt. Ihr Schloß ist nämlich so eingerichtet, daß man den Schlüssel, der immer von außen im Loch sitzt, nach öffnen der Türe abziehen und von innen aufstecken muß, um die Türe von dort aus wieder öffnen zu können. Daran hat Gupp nicht gedacht. Die Konstruktion kannte er nicht.
    Keine Möglichkeit, herauszukommen... Gupp setzt sich gemütlich und grübelt. Wie kann ich das Lokal verlassen, ohne aufzufallen? Überhaupt nicht?
    Noch ein Versuch. Vergeblich. Die Tür ist nicht aufzukriegen. Nicht mit

Weitere Kostenlose Bücher