Flehende Leidenschaft
du’s?«
»Sogar – durch die Hölle würde ich kriechen«, stammelte Johnnie, »wenn ich nur hier rauskomme.«
»Die nächsten paar hundert Schritte könnten gefährlich werden.«
»Trotzdem bin ich bereit.« Nun mußte Johnnie seine allerletzten Kräfte aufbieten. Das Opiat begann sein Gehirn zu lähmen, die Beine bewegten sich wie aus eigenem Antrieb. Langsam stiegen sie den Hawk Hill hinauf, zum Außentor. Auf diesem Hang fanden sie keinen Schutz vor wachsamen Blicken, aber es gab keinen anderen Weg in die Freiheit.
Glücklicherweise verbarg sich der Mond hinter dichten Wolken. Nur ein einziger Soldat kam ihnen entgegen. Aber er war betrunken, und da sie die Uniformen der toten Wächter trugen, schenkte er ihnen keine Beachtung und wankte vorbei.
Jetzt mußten sie noch drei bewachte Tore passieren. Die ersten beiden wurden von bestochenen Männern geöffnet. Aber ehe sie das Pförtnerhäuschen am Außentor erreichten, in dem zwei Wachtposten Karten spielten, traten vier lachende Offiziere ein. Offensichtlich hatten sie sich in einer Taverne amüsiert. Zur Bestürzung der Carres, die im Schatten jenseits der beleuchteten Tür warteten, setzten sich die Heimkehrer zu den Wächtern.
Angespannt spähten die Flüchtlinge durch die halboffene Tür. Die Zeit lief ihnen davon. Bald würde man die Verliese inspizieren. Und Johnnies letzte Kräfte schwanden dahin. Mittlerweile lastete sein ganzes Gewicht auf Kinmont und Adam. »Geht rein und erledigt sie!« flüsterte er.
»Kannst du allein stehen?« fragte Robbie.
»Wenn ihr euch beeilt …«, erwiderte Johnnie und lehnte sich an die Mauer.
Jeder Augenblick war kostbar, und so stürmten sie ins Pförtnerhaus, die Schwerter gezogen. Sobald das Scharmützel begann, schlüpften die bestochenen Wächter zur Tür hinaus, und die Offiziere mußten sich allein verteidigen. Als einer zusammenbrach, schrie ein anderer um Hilfe, und der Ruf hallte über den Exerzierplatz hinweg bis zum Fallgitter hinauf.
Sofort verstärkten die Carres ihre Bemühungen und drängten ihre Gegner an die Wand neben dem verriegelten Außentor.
An die Hofmauer gelehnt, einer Ohnmacht nahe, beobachtete Johnnie entsetzt, wie sich der gestürzte Soldat erhob, seine Pistole zog und auf Robbies Rücken zielte.
Automatisch riß Johnnie den Dolch aus dem Hosengürtel, verscheuchte den Nebel aus seinem Gehirn, ignorierte die Schmerzen. Während er zur Tür taumelte, sah er den Finger des Mannes, der sich um den Abzug krümmte.
Dieser Augenblick entfesselte neue Energien, und er schleuderte den Dolch ins Pförtnerhaus. Tief bohrte sich die Klinge in den Nacken des Offiziers, und Johnnies Knie gaben nach. Unter seinen Händen spürte er das kalte, feuchte Kopfsteinpflaster, dann versank er im schwarzen Nichts.
Wenig später trugen ihn seine Clansmänner über vier Leichen hinweg. So schnell sie konnten, eilten sie durch schmale, finstere Straßen, in den kleinen Stall hinter Roxanes Garten.
»Wartet hier, ich sehe mal nach, ob Godfrey schon verschwunden ist«, flüsterte Robbie. Zum Glück war sein Bruder immer noch bewußtlos. Unterwegs hatte Johnnies Rücken wieder zu bluten begonnen. Um keine Spuren zu hinterlassen, hatten sie ihre Hemden um seinen Oberkörper geschlungen. Jetzt war der provisorische Verband dunkelrot.
Angstvoll beobachtete Roxane, wie ihre Gäste nach der Dichterlesung den Salon verließen. Würden ihr die beiden Carres, die sich auf eleganten Chintzsofas schlafend stellten, einen ausreichenden Schutz vor Godfrey bieten? Mittlerweile war der vereinbarte Zeitpunkt von Johnnies Befreiung verstrichen.
Der letzte Gast stieg die Stufen hinab, und sie stand neben Harold Godfrey auf dem Treppenabsatz. Nirgends ließ sich ein Dienstbote blicken, was dem Earl von Brusisson nicht entging. Und so nutzte er die Gelegenheit. »Zeigen Sie mir Ihr Schlafzimmer, Roxane!« rief er und nahm sie in die Arme. »Schon den ganzen Abend warte ich auf Ihre Gunst.«
»Also wirklich, Brusisson!« Mit einem sanften Lächeln milderte sie ihren Tadel. »Ein Minimum an Galanterie wäre gewiß angebracht.«
»Wollen Sie mich wie einen dummen Jungen an der Nase herumführen, Madam? Nachdem ich mir nur Ihretwegen diese gräßliche Geschichte anhören mußte?«
»Sir, ich glaube, Sie haben die Einladung mißverstanden.« Nun klang ihre Stimme etwas schärfer, und Roxane versuchte sich loszureißen.
Aber er hielt sie eisern fest. »Oder Sie haben meine Absichten mißdeutet, Madam.«
»Wenn dies so ist,
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