Flehende Leidenschaft
Und das war eine Lüge. Nur zu gut wußte sie, was ihr drohte. Sie würde ihr Herz verlieren.
13
Sie wanderten die Straße hinab, bis man sie von der Kutsche aus nicht mehr sehen konnte, sprachen über die Hochzeit, das Wetter, neutrale Themen. Solange sie nicht völlig allein waren, erwähnten sie nicht, was ihnen auf der Seele brannte. Dann zeigte Johnnie auf einen grasbewachsenen Pfad.
»Am Ende dieses Weges finden wir eine Lichtung. Dort wird uns niemand stören.«
»Wie weit ist es?«
»Nicht allzuweit. Wenn du um Hilfe rufen willst, können dich deine Wachtposten hören.«
»Wird das nötig sein?« fragte sie lächelnd.
»Sicher nicht«, antwortete er und folgte dem schmalen Weg. Bald erreichten sie die stille Lichtung. An manchen Stellen, wo Rehe geschlafen hatten, war das Gras flach gedrückt. Ringsum ragten hohe Kiefern empor. Eine Zeitlang standen sich Elizabeth und Johnnie gegenüber. Keiner fand die richtigen Worte. Schließlich durchbrach er das Schweigen. »Irgendwie bin ich verlegen.«
»Du meinst, normalerweise widerstehen dir die Frauen nicht?«
»Niemals.«
»Also fallen sie dir hilflos in die Arme?«
Darauf antwortete er nicht. »Sooft habe ich an dich gedacht – statt an andere wichtige Dinge.« Unbehaglich trat er von einem Fuß auf den anderen. Es fiel ihm schwer, seine Gefühle zu offenbaren. »Zum Beispiel hätte ich mich mit der diffizilen politischen Situation befassen müssen. Entweder bricht ein Krieg aus, oder Schottland behält die Unabhängigkeit. Eigentlich hätte ich nicht nach Hawick kommen dürfen. Während ich dir den Hof mache, umschmeichelt Tweedale die Country Party, die dringend Geld braucht.«
Langsam schlenderte Elizabeth davon und setzte sich auf einen umgestürzten Baumstamm. Er beobachtete sie, folgte ihr aber nicht. Leicht verärgert über ihre starke Anziehungskraft und die Notwendigkeit persönlicher Enthüllungen, wahrte er Abstand. Warum freute er sich nicht? Immerhin rannte sie nicht davon, und sie würde auch nicht um Hilfe rufen.
Als sie sich zu ihm wandte, sprach sie so leise, daß er sie kaum verstand. »Seit ich in Goldiehouse war, hast du meine Gedanken beherrscht, meine Träume, mein Leben.« Seufzend schlang sie die Finger ineinander. »Und das wollte ich nicht noch einmal ertragen.«
»Deshalb bist du weggelaufen.« »Ja.«
»Nur deinetwegen kam ich nach Hawick.«
»Nicht dem Brautpaar zuliebe?«
Johnnie zuckte die Achseln. »Normalerweise meide ich Hochzeiten wie die Pest.«
»Oh, ich verstehe.« Nur ihretwegen war der arrogante Ravensby nach Hawick gekommen, trotz der dringlichen Probleme, die bei der Parlamentssitzung gelöst werden sollten. Und wider sein besseres Wissen. Diese Erkenntnis erfüllte Elizabeth mit freudigem Stolz. Einladend klopfte sie neben sich auf den Baumstamm. »Setz dich zu mir.«
Ich müßte gehen, dachte er. Niemals hätte ich ihr nachreisen dürfen, der Tochter meines Erzfeindes …
»Hast du Angst vor mir?« Mittlerweile versuchte sie, ihre Sehnsucht nicht mehr zu bekämpfen, und sie kannte nur noch ein einziges Gefühl – unbeschreibliches Glück.
»Es gibt nichts, wovor ich Angst hätte«, erwiderte er ohne Zögern.
»Das dachte ich mir.« In seinen ledernen Breeches, den hohen Stiefeln, dem weiten, am Hals geöffneten Hemd, ein Plaid in gedämpften Herbstfarben über der Schulter, wirkte er nicht mehr furchtlos, sondern bedrohlich. »Meine Wachtposten werden geduldig warten.« Damit müßte sie ihn doch endlich aus der Reserve locken. Als er den ersten Schritt tat, wirkte ihr verführerisches Lächeln völlig ungekünstelt und instinktiv. »Du gefällst mir.«
»Und du treibst mich zum Wahnsinn«, entgegnete er und kam langsam näher. Dann setzte er sich zu ihr auf den Baumstamm und betrachtete die Spitzen seiner Stiefel.
»Und dieses Gefühl behagt dir nicht.«
»Ganz und gar nicht«, bestätigte er, ohne sie anzuschauen.
»Soll ich gehen?«
Da sah er sie endlich an, ein zynisches Funkeln in den Augen. »Natürlich nicht.«
Wenigstens eine Antwort, dachte sie. »Warum warst du in Hawick anders?«
»Dort konnte ich ein charmantes Spiel treiben, mit akzeptablen Regeln«, erwiderte er und staunte selbst über seine Ehrlichkeit. Meistens belog er die Frauen. Aber Elizabeth war anders als alle Frauen, die er kannte. Deshalb saß er hier, unzufrieden und erregt, und er fragte sich, wie er seine Emotionen bewältigen sollte.
»Jetzt ist es kein Spiel?«
Es dauerte eine Weile, bis er antwortete. »Ich
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