Flehende Leidenschaft
tarnte aber den großen Trupp. Während sie zur Grenze ritten, flammten Lichter in den Dörfern auf, und mehrere Stimmen erklangen. »Gute Reise, Johnnie!«
Im Morgengrauen überquerten sie die englische Grenze, und in zwei Stunden würden sie Three Kings erreichen. Niemand heiratet um sieben Uhr, überlegte Johnnie. Der Cognac umnebelte sein Gehirn, und er konnte kaum einen klaren Gedanken fassen. Nur eins wußte er instinktiv – Elizabeth, die sein Kind unter dem Herzen trug, durfte George Baldwin nicht heiraten.
Über Three Kings lag eine seltsame Stille. Die Morgensonne beleuchtete das neue Gebäude, das auf dem Hügel entstand. Auch dort ließ sich niemand blicken.
»Verdammt«, fluchte Munro, »wir kommen zu spät.«
»Halt den Mund!« befahl Johnnie und sprang aus dem Sattel. »Um sieben Uhr morgens heiratet man nicht. Ich werde sie schon finden!«
Während seine Männer auf der Zufahrt warteten, stürmte er zum roten Ziegelhaus. Die Tür war versperrt, und er hämmerte mit aller Kraft gegen das Eichenholz, so daß die Angeln quietschten.
Wenig später öffnete ein Diener das Portal. Beim Anblick der Reiterschar wich er verstört zurück.
»Wo ist Lady Graham?« stieß Johnnie hervor.
»In Hexham, Euer Gnaden«, erwiderte der Mann, der ihn sofort erkannt hatte. Niemand in Three Kings zweifelte an der Vaterschaft des ungeborenen Kindes. »In der Kirche.«
»Wann findet die Hochzeit statt?«
»Um elf, Sir. Aber Redmond ist dort …«
Diese Warnung hörte Johnnie nicht mehr.
»Hexham!« schrie er, rannte zu seinem Rappen zurück und schwang sich in den Sattel. »Um elf!«
Ein zweiter Reitertrupp sprengte nach Hexham, ebenfalls entschlossen, die Hochzeit zu verhindern. Vor einigen Tagen hatte Matthew Graham von Elizabeths Heiratsplänen erfahren, und nun führte er zweihundert Männer an. Alle fünf Söhne des verstorbenen Hotchane waren in bester Stimmung. In einer Bischofsstadt würde niemand mit einem Überfall rechnen, schon gar nicht am hellichten Tag, und so mußten sie keine Gegenwehr befürchten.
Kurz vor der Zeremonie wollten sie die Kathedrale erreichen, wenn alle Gäste schon in den Bänken saßen, und den Überraschungsmonent nutzen.
Luke, der Bräutigam, trug sein Hochzeitsgewand unter dem Brustpanzer. An seiner Lanze flatterten bunte Bänder. Er konnte die Hochzeitsnacht mit seiner einstigen Stiefmutter kaum erwarten, während Matthew eher an das Geld seines Vaters dachte, das er bald zurückgewinnen würde.
Munro zeigte zum Horizont, wo die Silhouette von Hexham auftauchte, und Johnnie spornte sein Pferd an. Während die Carres den Hügel am Ufer des River Tyne erreichten, näherten sich die Grahams von Nordwesten her. Es war kurz vor elf. Schläfrig lag das idyllische Flußtal unter der Herbstsonne.
Erstaunt musterten die Grahams den großen Reitertrupp, der auf dem Gipfel anhielt. Sie hatten zwar erwartet, Elizabeths Leibwache anzutreffen, aber keine anderen Kämpfer. »Was glaubst du, wie viele das sind?« fragte Matthew seinen Bruder Andrew, der durch ein Fernrohr spähte.
»Sechzig oder achtzig …«
»Postieren wir uns an der Brücke. Vielleicht ergreifen sie angesichts unserer Überzahl die Flucht. Wer mag das nur sein?«
»Ich kenne sie nicht. Jedenfalls kommen sie von weit her. Die Pferde sind schweißüberströmt.«
»Unser Vorteil!« meinte Matthew zuversichtlich und befahl seinen Leuten, ihre Positionen einzunehmen.
»Könnte das Redmonds Heer sein?« fragte Munro, als er die kriegerische Schar vor der Brücke entdeckte, die zur Stadt führte.
»Das spielt keine Rolle«, erwiderte Johnnie. »Reit nach rechts, Adam übernimmt die linke Flanke, und ich bleibe in der Mitte. Sobald ihr Stellung bezogen habt, galoppieren wir los. Unsere Leute, die den Gipfel nicht erreicht haben, dürfen sich erst blicken lassen, wenn wir angreifen.«
Es dauerte nicht lange, bis sich die Soldaten verteilt hatten. Dann hob der Laird einen Arm, schwang ihn nach unten. Sein gellender Schrei erfüllte die Morgenluft, und dreihundert Carres galoppierten den Hang hinab.
Für eine ausgeklügelte Strategie fehlte die Zeit. Aber Johnnie wußte, daß jeder Gefolgsmann sein Leben wagen und so entschlossen kämpfen würde wie in all den zahlreichen Scharmützeln an der Grenze.
Hinter ihm donnerten pfeilschnelle Hufe. Entweder gehen die Kerle da unten aus dem Weg, dachte er grimmig, oder sie werden von ihren verschreckten Pferde geworfen. Die Augen halb geschlossen, um sie vor dem Wind zu
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