Flehende Leidenschaft
schützen, sprengte er dahin, sein schwarzes Haar wehte hinter ihm her. Locker umschlossen seine Finger den Pistolengriff. Er zweifelte nicht an seinem Erfolg. So oder so, er würde die andere Seite des Flusses erreichen, wo sich die Kathedrale erhob – wo sie vor dem Altar stand. Den Kriegsruf der Carres auf den Lippen, näherte er sich dem Brückenkopf.
Entsetzt beobachteten die Grahams, wie sich der kleine Reitertruppe zu einem gewaltigen Heer vergrößerte. Unter den rasenden Hufschlägen erbebte die Erde, Mündungsblitze zuckten aus den Pistolen der Angreifer. Schon bei der ersten Salve verlor Matthew die Nerven, schwang sein Pferd herum und floh nach Westen. In wilder Panik folgten ihm seine Männer.
Johnnie entblößte grinsend seine Zähne, die sich strahlend weiß vom staubigen Gesicht abhoben, und lenkte seinen Rappen zum steinernen Torbogen der Brücke. Da sind wir unaufhaltsam dazwischengefahren, dachte er, wie eine Faust durch ein morsches Brett. Wer immer diese Feiglinge waren – wenn wir Redmonds Garde genauso mühelos ausschalten, ist die Schlacht gewonnen.
In der Kathedrale hatte der Chor gerade sein erstes Lied beendet, als Ravensbys durchdringender Kriegsruf die weihevolle Stille erschütterte, begleitet vom Krach der Warnschüsse.
»Bleiben Sie bei ihr!« rief Redmond dem Bräutigam zu, sprang von seinem Platz in der ersten Reihe auf und rannte durch den Mittelgang zum Tor, das Schwert in der Hand. Ohne zu zögern, heftete sich die Garde an seine Fersen.
Wenig später hatten die Soldaten das Gotteshaus umstellt, und die Carres sahen sich einer starken Phalanx gegenüber. Der Marktplatz im Norden der Kirchenfassade konnte Johnnies Reiter kaum aufnehmen, dreihundert Pferde drängten sich zwischen Läden und Ratskammern. Aber nach dem anfänglichen Gerangel bildeten die Soldaten von Ravensby eine geordnete Front.
Langsam ritt Johnnie zu der niederen Steinmauer, die den Friedhof von der Straße trennte, und stieg ab. Redmond konnte den Mut des schottischen Lairds nur bewundern.
»Waren das Ihre Freunde, die wir soeben von der Brücke verjagt haben?« fragte Johnnie und klopfte den Staub von seinen Breeches.
»Das bezweifle ich. Saßen die Anführer auf grauen Schlachtrössern?«
»O ja. Also habe ich Ihnen einen Gefallen getan?«
»Vermutlich. Es waren Hotchanes Söhne.«
»Wollten sie die Braut beglückwünschen?« Johnnies Lächeln erreichte seine Augen nicht.
»Wohl kaum. Sie hatten vor, die Lady mit einem Graham zu vermählen.«
»Um ihr Erbe wieder in den Besitz der Familie zu bringen … Aber wie ich höre, bevorzugt Lady Graham einen anderen Bräutigam.«
»Möglicherweise.«
Johnnie runzelte die Stirn. »Und was soll das heißen?«
»Daß ich nicht genau weiß, vor wem ich sie schützen soll, Ravensby. Vor Ihnen oder vor ihrem Bräutigam.«
»Lassen Sie mich mit ihr reden.«
Zögernd nickte der Hauptmann, und Johnnie grinste. »Vielen Dank für Ihr Vertrauen, Redmond.«
Alle Köpfe wandten sich zu dem staubbedeckten Mann, der das mittelalterliche Kirchenschiff betrat. Laut hallten seine Stiefelschritte durch die Stille, die Sporen klirrten. Sein ausdrucksloses Gesicht wurde von wild zerzaustem schwarzem Haar umrahmt, und die Elfenbeingriffe der Pistolen, die in seinem Gürtel steckten, zogen angstvolle Blicke an. Er schaute weder nach links noch nach rechts, hatte nur Augen für die kostbar gekleidete Braut.
Sobald er den Altar erreichte, fragte er, ohne den Mann an ihrer Seite zu beachten: »Wäre es nicht besser gewesen, du hättest mir von deinem Kind erzählt?«
»Elizabeth, du mußt nicht antworten!« mischte George sich ein.
Erst jetzt schien Johnnie ihn zu bemerken. »Wenn es Ihnen nichts ausmacht, Baldwin, würde ich gern allein mit ihr sprechen.«
»Aber es macht mir was aus.«
Ungestüm griff Johnnie nach seinem Schwert, und Elizabeth fauchte ihn an: »Das wagst du nicht! Bitte, George – nur einen Augenblick. Gleich bin ich wieder da.« Wenig später stand sie Johnnie in einem Seitengang gegenüber. »Wieso hat Redmond dich hier reingelassen?«
»Weil er mich mag«, erwiderte Johnnie und ignorierte die neugierigen Blicke der Hochzeitsgäste. »Oder er mag George Baldwin nicht. Da bin ich mir nicht ganz sicher.« Schmerzhaft umklammerte er ihr Handgelenk. »Und nun erklär mir, warum ich nichts von deinem Baby erfahren habe.«
»Nein.«
»Du willst ihn heiraten, obwohl du ein Kind von mir erwartest?«
»Warum interessiert dich das?« fragte sie
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