Flehende Leidenschaft
vertagt worden und mit einer Wiedereröffnung von seiten Tweedales nicht mehr zu rechnen war, segelte Johnnie nach Rotterdam. Er interessierte sich für die neuesten Kriegsnachrichten, und das Hauptquartier der Verbündeten, deren fortgesetzte Offensive gegen Frankreich auch die Zukunft Schottlands beeinflussen würde, lag in Den Haag. Außerdem ankerten zwei seiner Schiffe im Rotterdamer Hafen. Eines war soeben aus Kanton zurückgekehrt, die Fracht sollte in die Lagerhallen gebracht und in Holland verkauft werden.
Schon seit einem Monat wohnte Robbie in Rotterdam, und die beiden Brüder verbrachten eine Woche miteinander. Sie kümmerten sich um ihre Geschäfte, abends saßen sie in den Tavernen, wo man mühelos Informationen über den Kriegsverlauf sammeln konnte.
In der nächsten Woche überquerte Johnnie die belgische Grenze, um das Regiment seines Onkels aufzusuchen. An dem warmen Septembertag, an dem Elizabeth den Heiratsantrag George Baldwins annahm, dinierte er mit dem Marechal de Turenne in dessen Kriegslager – ohne seine baldige Vaterschaft zu ahnen.
Die Neuigkeiten beunruhigten ihn. Nach dem Desaster von Bienheim herrschte im französischen Generalstab helle Aufregung, während der König nur noch auf seinen bevorzugten Ratgeber hörte, den Duc de Chevreuse, oder seine streng religiöse Maitresse, Madame de Maintenon. Die beiden nahmen keine offiziellen Positionen ein.
»Um an den König heranzukommen, muß man Madames fromme Gesinnung teilen«, seufzte Johnnies Onkel. »Tallard, dem wir den Verlust Bienheims verdanken, ist ebenso erledigt wie Marsin. Und der junge Berwick, James’ Bastard, hat einen glorreichen Sieg errungen. Aber Chamilart, Louis’ Billard-Kumpel, möchte dem Bruder seines Freundes, dem Comte de Gace, einen Maréchal-Titel verschaffen. Merde! Es wird verdammt schwierig, diesen Krieg zu gewinnen, wenn sich die Aristokraten um militärische Ehren balgen. Während Marlborough einfach nur seine Verbündeten bei der Stange hält und tut, was ihm beliebt … Zum Teufel mit diesen Idioten! Aber ich habe mein Chateau und meine Pension, und Kriege werden immer wieder ausbrechen.« Er lächelte seinen Neffen an. »Wie lange bleibst du hier?«
»Ein bis zwei Tage. Ich bin gerade auf dem Weg nach Ostende. Dort muß ich meine Handelsniederlassung inspizieren.«
»Erzähl mir doch von Schottlands Unabhängigkeit. Vielleicht kehre ich in meine Heimat zurück, wenn ihr die schrecklichen Engländer verjagt habt.«
»Du solltest deine französischen Ländereien behalten. Wenn Marlborough den endgültigen Sieg davonträgt, hat London keinen Grund mehr, die Schotten zu besänftigen, und wird uns wieder an die Kandare nehmen.«
»Wenigstens bereicherst du dich auf Englands Kosten.«
»Ja«, bestätigte Johnnie, »das ist ein gewisser Trost. Meine Fregatten segeln allen britischen Schiffen davon.«
»Aber du darfst deine Rückendeckung nicht vernachlässigen. Die Politiker wollen dir sicher ans Leder, nachdem du dich im Parlament so vehement für die Unabhängigkeit eingesetzt und die Navigationsakte verhöhnt hast. Einzig und allein die Geschäftsleute regieren Westminster. Und die hassen jeden, der ihnen Geld aus der Tasche zieht. Natürlich bist du mir in Frankreich stets willkommen.« Der Maréchal de Turenne wußte, wovon er sprach. Als junger Mann war er wegen unliebsamer politischer Ansichten geächtet worden und – wie so viele Schotten im Lauf der Jahrhunderte – nach Frankreich ausgewandert, um in einem gastfreundlichen Land sein Glück zu machen.
»Von meinen Schiffen hängt ein Großteil des schottischen Handels ab.« Johnnie musterte den Onkel über sein Weinglas hinweg. »Also wäre es unklug, mich zu verfemen. Aber ich werde gegebenenfalls auf deine Einladung zurückkommen. Und jetzt erzähl mir, wie es Tante Giselle und deinen Töchtern geht.«
Zwei Tage später traf er in Ostende ein, und nach weiteren sechs Tagen erreichte er den Hafen von Leith. Er verbrachte einen rastlosen Abend mit Roxie und entschuldigte sich wortreich, als er schon um Mitternacht aus ihrem Bett stieg und in seine Kleider schlüpfte. Mißgelaunt besuchte er mehrere Tavernen. Doch der Wein schmeckte schal, und er ließ das letzte Glas unberührt stehen, ehe er durch die dunklen Straßen zum Ravensby House wanderte.
Die Wochen im Ausland hatten ihn von den Gedanken an Elizabeth abgelenkt. Aber jetzt, in der Heimat, erschien sie ihm wieder so nahe, und die Sehnsucht wuchs.
Plötzlich fand er die
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