Flehende Leidenschaft
das Kind zu früh geboren«, betonte die Gräfin von Lothian.
»Jetzt reicht’s, Janet«, mischte sich ihr Mann ein. »Offenbar hast du zuviel getrunken.«
Janet preßte die Lippen zusammen und schien zu überlegen, ob sie eine passende Antwort geben sollte. Doch der Earl von Lothian, trotz seiner Jahre eine attraktive, distinguierte Erscheinung, strahlte eine ruhige Autorität aus, die seine Gemahlin eines Besseren belehrte. Danach beteiligte sie sich nicht mehr am Gespräch, nippte aber immer wieder an ihrem Wein, und Johnnie rechnete mit weiteren unliebsamen Zwischenfällen.
Als die Mahlzeit beendet war, setzten sie sich in den Salon. Eine halbe Stunde später entschuldigte Johnnie sich selbst und seine Frau, mit dem Hinweis auf ihre Schwangerschaft. Die Lindsays wollten in Goldiehouse übernachten, da ihr Haus weit entfernt lag und die Straßen nach Einbruch der Dunkelheit ziemlich unwegsam waren. Inzwischen hatten die Dienstboten bereits seine Gästesuite vorbereitet.
»Hoffentlich besuchen uns nicht allzuviele deiner einstigen Gespielinnen«, meinte Elizabeth leichthin, während sie das Schlafzimmer betraten. »Nach dem zehnten Glas Wein werden sie einfach unleidlich.«
Daß diese Gefahr bestand, konnte Johnnie nicht bestreiten. In der Umgebung von Goldiehouse lebten sehr viele Frauen, die ihm ihre Gunst geschenkt hatten. »Tut mir leid. Das alles ist mir sehr peinlich.«
»Und wie kann ich mit Janet wetteifern?« fauchte sie. Jetzt brach sich der Ärger Bahn, den sie den ganzen Abend mühsam unterdrückt hatte. »Dieses betrunkene Biest hat völlig recht. Bald werde ich dick und unförmig sein. Und dann muß ich auch noch beim Tee oder Dinner miterleben, wie dich sämtliche Flittchen von Roxburgh an eure einstigen Affären erinnern – mehr oder weniger diskret …« Sie stand vor dem Drehspiegel und schnitt eine Grimasse. Unter dem burgunderroten Samtkleid mit dem elfenbeinfarbenen Spitzenbesatz begann sich ihr Bauch zu runden, die Brüste waren noch voller geworden.
»Glaub mir, du bist schöner als all diese Frauen zusammen«, beteuerte Johnnie und ging zu ihr. »Ich liebe dich, und deine Schwangerschaft beglückt mich.«
»Das sagst du nur so«, erwiderte sie, obwohl sie wußte, daß sie sich wie ein gekränktes Kind benahm. »Und Janet Lindsay ist eine schamlose Hure!«
Genau das hat mich an ihr gereizt, dachte Johnnie. Doch jetzt gehörte die Liaison der Vergangenheit an. Vorsichtig berührte er Elizabeths Arm. »Ich werde dafür sorgen, daß die beiden morgen abreisen.«
»Aber ich fürchte, die Gräfin möchte länger hierbleiben.« Erbost fuhr sie zu ihm herum.
»Am besten spreche ich noch heute abend mit Culross.«
»Weil du sie unbedingt Wiedersehen willst, nicht wahr?«
»Um Himmels willen, nein! Wären die beiden bloß nicht hierhergekommen!« Er warf einen Blick auf die Uhr. »Jetzt wird Culross mit den Männern Billard spielen.«
»Und was macht sie ? Was treibt sie normalerweise, während Culross Billard spielt? Erwartet sie dich in ihrem Zimmer?«
Ihre Intuition ist bemerkenswert, überlegte er unbehaglich, von Schuldgefühlen erfüllt, die ihn früher nie geplagt hatten. »Das alles ist lange her. Wenn du willst, soll Helen mich als Anstandsdame begleiten. Ich schwöre dir, ich will nur mit Culross sprechen. Und er wird verstehen, wenn ich ihn bitte, uns nur mehr in Gesellschaft anderer Nachbarn zu besuchen.«
»Oder gar nicht!« zischte Elizabeth.
»Das kann ich ihm nicht antun«, entgegnete er entschieden. »Immerhin war er ein guter Freund meines Vaters. Also – soll Helen mich begleiten?«
»Ja. Nein. Ja, verdammt … O Gott, ich entwickle mich zu einer eifersüchtigen Xanthippe!«
»Dann ruf sie doch.« Nur zu gut verstand er ihre Gefühle. Er war sogar auf ihren verstorbenen Ehemann eifersüchtig.
Wie erwartet, traf er Culross, Adam und Kinmont im Billardzimmer an. Munro war am Nachmittag nach Edinburgh geritten, um einen Ingenieur aufzutreiben, der eine Verbindung zwischen dem geplanten See und dem Fluß hersteilen konnte. Janet hatte sich in ihr Zimmer zurückgezogen, weil sie es haßte, den Gentlemen beim Billard zuzuschauen..
Johnnie und Culross setzten sich in bequeme Ohrensessel vor dem Kamin. Soeben war ein neuer Cognac aus La Rochelle geliefert worden, den sie nun fachkundig probierten. Während Helen in diskreter Entfernung wartete, fragte sie sich, wie sie auf den unbezähmbaren Laird aufpassen sollte. Aber Lady Elizabeth hatte ihr genaue Anweisungen
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