Flehende Leidenschaft
Schulter, und er umarmte sie.
»Da Lady Carre kein Korsett mehr tragen wird, müssen Sie alle Kleider weiter machen, Madame Lamieur«, entschied der Laird. »Hoffentlich bereitet es Ihnen keine allzu große Mühe.«
»Gewiß nicht, Mylord«, antwortete die Schneiderin und wandte den Blick ab, denn die Lady begann seine Weste aufzuknöpfen.
»Für das Baby ist es besser so«, fügte er hinzu und küßte seine Frau vor aller Augen, so zärtlich, daß seine alten Freunde aus dem Staunen nicht herausgekommen wären. »Später, Liebling«, flüsterte er und schob Elizabeths Hände beiseite, die an seinen Hemdknöpfen zerrten. »Was das Brautkleid betrifft, Madame Lamieur … Da müssen Sie leider auf eine weitere Anprobe verzichten.« Lächelnd nickte er der Schneiderin und den Näherinnen zu. »Wenn Sie uns jetzt entschuldigen würden – meine Gemahlin muß sich ausruhen.«
Natürlich wußten die Frauen, wie die Ruhepause Ihrer Ladyschaft verlaufen würde. Als Helen in die Küche kam, erzählte sie Mrs. Reid in allen Einzelheiten von der schockierenden Anprobe, die der Laird so plötzlich abgebrochen hatte. »Sicher treiben sie’s jetzt auf dem schönen Seidensofa im Turmzimmer. Er hat selber die Tür zugesperrt.«
»Nun, dann wollen wir das Küchenpersonal auf Trab bringen«, bemerkte Mrs. Reid freudestrahlend. »Sicher hat meine Lady nachher wieder Hunger. Und ich nehme an, sie wird den Laird hinlänglich beschäftigen, so daß er keine Zeit mehr für Lady Lindsay und ihresgleichen findet. Um so besser!«
»So, wie’s aussieht, wird er Goldiehouse gar nicht mehr verlassen«, meinte Helen.
»Wunderbar! Gibt es einen schöneren Ort für einen jungen Familienvater?«
19
Während in Goldiehouse Glück und Segen einkehrten, reiste Harold Godfrey nach London. Dort versuchte er zu retten, was noch zu retten war.
»Die entsprechenden Dokumente müßten hier in der Stadt abgefaßt werden«, bemerkte er bei einem Spaziergang mit seinem Oberherrn, dem Herzog von Queensberry – einem dürren, dunkelhaarigen Mann in mittleren Jahren. Um nicht von Gefolgsleuten oder Dienstboten belauscht zu werden, wanderten sie durch den St. James’s Park. Man konnte nie wissen, wem man trauen durfte.
»Am einfachsten wäre es, Ravensby wegen Vergewaltigung anzuklagen«, meinte Queensberry. »Vor Gericht soll selbstverständlich auch der Hochverrat erwähnt werden.«
»Sie erwartet bereits ein Kind von ihm«, murmelte der Earl verbittert. »Selbst wenn er sie heiratet, müssen wir auf eine erzwungene Ehe plädieren.«
»Nun, es wird uns nicht schwerfallen, Zeugen zu kaufen.«
»… oder die unbotmäßigen verschwinden zu lassen.«
Der Herzog lächelte. »Genau. Jetzt beschreiben Sie Ravensbys Eigentum noch einmal, in allen Einzelheiten. Und erklären Sie mir, was für Dokumente Sie benötigen.« Er war der perfekte Höfling, und seine gekünstelte Freundlichkeit wirkte ganz natürlich. Nach außen hin gab er sich sanftmütig und zuvorkommend, aber er beseitigte skrupellos alle Hindernisse, die seinen eigenen Interessen im Wege standen. Sein Geld pflegte er mit beiden Händen aus dem Fenster zu werfen. Deshalb konnte er Johnnie Carres Vermögen – das man konfiszieren würde, sollte man ihn für schuldig befinden – gut gebrauchen.
»Sobald Sie einen Haftbefehl von der Königin erhalten, zeigen wir ihn an. Ob er vor Gericht erscheint oder nicht, spielt für das Urteil keine Rolle.«
»Aber Sie würden seine Festnahme vorziehen.« Queensberry war über die Feindschaft zwischen den beiden Männern informiert.
»Nun, jetzt steht er doppelt in meiner Schuld, oder sogar dreifach, falls ich ihm auch die erste Entführung meiner Tochter heimzahlen will. Ja, es wäre mir eine große Genugtuung, den Bastard in Ketten zu sehen.«
»Ein ungestümer junger Mann – und schwierig zu fassen. Aber das wissen Sie ja selbst am besten.«
Als der siebzehnjährige Johnnie Carre aus Frankreich zurückgekehrt war, um sein Erbe anzutreten, hatte er das Gerücht gehört, sein Vater sei durch Harold Godfreys Schuld gestorben. In wildem Zorn ritt er nach Harbottle und forderte den Earl zum Kampf heraus. Ein erfahrener Fechter, hielt Godfrey der jugendlichen Kraft seines Feindes eine Stunde lang stand. Doch dann mußte er sich geschlagen geben. Die gegnerische Schwertspitze an der Kehle, beteuerte er seine Unschuld. Deshalb ließ Johnnie ihn am Leben. Er hätte es nicht mit seinem Gewissen vereinbaren können, ihn zu töten.
»Seit Jahren ist er
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