Fleisch essen, Tiere lieben
Planzenenergie in tierische Energie wird, so absurd das für den Laien klingt, in der Fachsprache »Veredelung« genannt. Ein Schwein ist damit also eine veredelte Pflanze. Dieses fast schon biblische Wunder der Umwandlung vollzieht sich, energetisch gesehen, aber nicht im Verhältnis eins zu eins. Der Wechselkurs eines mit Mais gefütterten Schweins zu Fleisch entspricht nicht dem Gewicht des Schweins in Maiskörnern. Im Gegenteil: Konventionell erzeugtes, tierisches Eiweiß verbraucht laut einer Studie der Cornell Unversity acht Mal mehr Energie aus fossilen Brennstoffen als die Produktion von Pflanzenprotein. ⁶⁰ Anders gesagt: Auf dem Weg vom Maiskolben zum Schnitzel über das Schwein geht Energie verloren. Für eine Kalorie in Form von Hähnchenfleisch muss der Mäster fünf Getreidekalorien verfüttern, beim Schwein sind es sieben. Am verschwenderischsten geht es beim Rind zu. Sechs Kilo Getreide, also 22 000 pflanzliche Kalorien, erbringen, ans Rind verfüttert, 2000 Fleischkalorien.
Die Rechnung hinkt etwas – denn deutsche Rinder fressen nicht, wie ihre amerikanischen Kollegen, nahezu ausschließlich Kraftfutter. In Deutschland ist das glücklicherweise anders, hier bekommen Rinder neben dem Kraftfutter auch Gras- und Maissilage. Ein deutsches Rind frisst pro Kilo Fleisch laut Bundesland wirtschaftsministerium etwa 3,7 Kilo Getreide. Aber selbst diese Zahl ist noch zu hoch, wenn man davon ausgeht, dass dafür Le bensmittel verschwendet werden. Es ist, gelinde gesagt, energetisch ganz einfach extrem ineffizient, Tiere mit Getreide zu füttern. Wieso tun Landwirte das also? Ganz einfach, weil es (noch) geht.
Wie Tiere heute gefüttert werden, hängt unmittelbar mit einer Landwirtschaft zusammen, die Überschüsse produziert. Mit den großen Ernten der letzten hundert Jahre – dank Düngerchemie, Neuzüchtungen und technischen Fortschritten bei landwirtschaftlichen Geräten – kam auch die Fleischproduktion so richtig in Gang. Nur weil auf einmal Getreide in Massen zur Verfügung stand, kam man auf die Idee, es im großen Stil an Tiere zu verfüttern. Vorher konnte man sich das schlicht nicht leisten. Nur hatte der vermeintliche Getreidesegen leider einen fatalen Nebeneffekt: Je mehr Landwirte ernteten, desto stärker fielen die Preise. Und das erzeugt einen unschönen Kreislauf.
»In den meisten anderen Wirtschaftszweigen sind fallende Preise ein Zeichen dafür, weniger zu produzieren; reduziere den Output, und die Versorgungslage wird schwächer, woraufhin die Preise wieder steigen werden. Weil die größte und teuerste Investition das Land selbst ist, sind Landwirte viel weniger flexibel in ihrer Produktion. Wo ein Fabrikbesitzer mit Verlusten fertig wird, indem er, sagen wir, die Hälfte seiner Arbeiter entlässt, kann ein Landwirt sein Land nicht entlassen. Meistens muss er seine Äcker weiter bearbeiten, um Hypotheken und Darlehen zu bezahlen. Land gehört zu den Fixkosten«, schreibt Paul Roberts, Autor des Buchs »The End Of Food«. ⁶¹
Der Ausweg für Landwirte besteht darin, sich weiter zu verschulden, indem sie über bessere Maschinen, Dünger, Getreidesorten in eine höhere Produktion investieren. Was kurzfristig hilft, langfristig aber die Preise wiederum drückt. Massenhaft billiges Getreide aber bedeutet auch massenhaft billiges Futter, und damit: massenhaft billiges Fleisch. Die riesigen Ställe und Fabriken, in denen heute Tiere gemästet, geschlachtet und verarbeitet werden und die moralisch motivierte Vegetarier zu Recht kritisieren, sind eine direkte Folge der Getreideüberschüsse.
Erst der Überfluss an Getreide hat Massentierhaltung also möglich gemacht. Vorher musste man Tiere ihr Futter selbst suchen lassen oder ihnen Essensreste geben – die Option, sie mit Nahrungsmitteln zu mästen, von denen sich die Menschen ernährten, wäre völliger Wahnsinn gewesen. Heute ist das die billige, schnelle Alternative.
Wie kommen wir raus aus dem Schlamassel, in dem wir es uns bequem gemacht haben, samt Billig-Hotdogs bei Ikea und Ein-Euro-Burgern bei McDonalds? Forscher haben berechnet, dass die Welt, aufs Ganze gesehen, etwa fünf Kilo Pflanzen verbraucht, um ein Kilo Fleisch zu erzeugen. Gäbe man den Tieren statt Nahrungsmitteln, die Menschen konsumieren können, Futter, das nur Tiere verdauen können, läge die tatsächliche Zahl laut Simon Fairlie bei 1,4 zu 1. In den USA ist grass-fed längst ein Trend, der in den Supermärkten angekommen ist. Ein Rindersteak von einem Tier,
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