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Fleisch essen, Tiere lieben

Titel: Fleisch essen, Tiere lieben Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Theresa Baeuerlein
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zu glauben scheint, darin, Hungernden billiges oder kostenloses Getreide zu geben – so logisch das auf den ersten Blick scheinen mag. Denn solche Getreidespenden stillen den Hunger nur auf kurze Sicht. Auf lange Sicht zerstören sie die lokalen Märkte. Es gibt dafür ein Fachwort: Agrardumping. Im Regelsystem der Welthandelsorganisation (WTO) meint Dumping, dass Produk te künstlich verbilligt und unterhalb der Produktionskosten im Herstellungsland auf den Markt gebracht werden. ⁸⁴
    Wenngleich es zweifellos Unsinn ist, Tiere mit Getreide zu mästen, fressen diese Tiere den Hungernden nichts weg. Sowohl Hunger als auch die massenhafte Fleischproduktion haben eine gemeinsame Wurzel: Beides ist nicht zuletzt eine Folge der Getreideüberproduktion. Seit eine industrialisierte Landwirtschaft mit Hilfe von Pestiziden, Düngern, Gentechnik riesige Ernten er zielt, gibt es auch Überschüsse. Dass diese weiterhin produziert werden, liegt auch daran, dass 73 Prozent des Weltgetreidemark tes von vier Konzernen kontrolliert werden, welche die Preise diktieren können. Und diese Preise sind so niedrig, dass Landwirte riesige Mengen produzieren, um wirtschaftlich zu überleben. Die Überschüsse landen in den Mägen von Tieren, die wir essen, und auf den Märkten von Entwicklungsländern.
    »Agrarprodukte aus den Industrieländern werden von den Handelsunternehmen zu Preisen, die unter den Produktionskosten im Ursprungsland liegen, auf die Märkte in den Entwicklungsländern gebracht, unterbieten die Preise für lokale Agrarprodukte und zerstören damit die heimischen Märkte für die Kleinbauern und -bäuerinnen«, schreibt Germanwatch. ⁸⁵ Die Organisation Brot für die Welt hat in einer Studie über die Reismärkte in Ghana, Indonesien und Honduras ⁸⁶ festgestellt, dass billige Reisimporte in diesen Ländern noch mehr Armut und Hunger verursacht haben, weil die einheimischen Bauern mit dem Billigreis aus dem Ausland nicht konkurrieren konnten. Denn selbst wenn die Produktionskosten des Herstellers in einem Industrieland höher sind als die eines Bauern in einem Entwicklungsland, hat Ersterer einen entscheidenden Vorteil: Als Subventionsempfänger ist er nicht darauf angewiesen, mit seiner Ernte Profit zu machen. Er kann sie also zu Schleuderpreisen verkaufen. Auf offenen Märkten haben Bauern gegen subventionierte Nahrungsmittelimporte keine Chance. Immer mehr Entwicklungsländer sind auf Lebensmittelimporte angewiesen, weil die lokalen Bauern angesichts der Konkurrenz aus dem Ausland einfach aufgeben.
    Absurd, aber wahr: Einerseits zahlen Industrieländer finanzielle Hilfe an Entwicklungsländer, um deren Armut zu lindern, gleichzeitig verstärken sie Armut, indem sie Billiglebensmittel importieren. Nur ein Beispiel: In den USA produzierter Reis ruiniert laut einem Bericht der Organisation OXFAM den Reismarkt in Haiti, weil der importierte Reis in Haiti weniger kostet als die lokal produzierten Körner. Der Schleuderpreis des amerikanischen Billigreises wiederum ist eine Folge der 434 Millionen Dollar Subventionen, welche die USA an amerikanische Reisanbauer zahlt. Ein Betrag, der letztlich weit höher liegt als die finanzielle Hilfe, mit der die USA Haiti unterstützen: Diese liegt bei 353 Millionen Dollar. Als Folge dieser absurden Politik geben immer mehr haitianische Bauern ihre Reisfelder auf.
    Das Agrardumping der Industrieländer zerstört so die Existenzgrundlage vieler Kleinbauern in armen Ländern. Jean Ziegler, der ehemalige UN-Sonderberichterstatter für das Recht auf Nahrung, kritisiert besonders die EU dafür, dass sie Agrardumping praktiziert. »Sie können in jedem beliebigen afrikanischen Land französische, griechische oder italienische Produkte für die Hälfte des entsprechenden afrikanischen Preises kaufen.« ⁸⁷ Und das ist bei weitem keine Kleinigkeit. Die Landwirtschaft macht in Entwicklungsländern, die keine sonstigen Ressourcen haben, den größten Teil der Wirtschaft aus. Mehr als die Hälfte der erwerbsfähigen Bevölkerung in den Entwicklungsländern verdient ihr Auskommen in der Landwirtschaft. Billiglebensmittel ruinieren die Existenzgrundlage dieser Menschen.
    Man sollte daraus nicht die falschen Schlüsse ziehen: Entwicklungshilfe hat ihren Sinn. Aber Billiggetreide aus Industrieländern ist keine Entwicklungshilfe, sondern eine praktische Methode, Überschüsse loszuwerden. Entsprechend fordert der Weltagrarbericht, den Hunger nicht mit Nahrungsmittellieferungen aus anderen

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