Fleisch ist mein Gemüse
die Hormone!»
«Den kannst du knicken. Lass ihn mal labern, der ist auf dem Lovetrip.»
Mir war’s egal, ich hatte einen Lauf. Amore, amore, amore!
Susanne wartete auf mich bis zum Schluss, und ich fasste mir ein Herz.
«Sag mal, wollen wir uns nicht mal treffen?»
«Klar. Wann denn?»
«Vielleicht nächsten Mittwoch oder Donnerstag. Ich lad dich zum Essen ein.»
«Mittwoch kann ich auch. Holst du mich ab?»
«Klar. Um acht?»
«Sieben wär mir lieber.»
Die Spiegeleier schmeckten mir in dieser Nacht besonders gut, haha. Dreißig Eier, dreißig Eier verputzten wir nach jeder Mucke. Eier, Eier, Eier!
Susanne lebte in einer Zweizimmerneubauwohnung am Stadtrand von Winsen. Bereits im Flur erwartete mich eine Parade freundlich grüßender Diddlmausfiguren. In der Mitte ihrer schwarzen Wohnzimmerschrankwand ragte ein C D-Ständer , der geformt war wie das Empire State Building. Im Hintergrundlief Phil Collins. Ich musste zur Toilette. An der Tür klebten Umsonstpostkarten mit witzigen Sprüchen und Lebensweishei ten. Zum Beispiel
Man muss die Welt nicht unbedingt verstehen, aber man muss versuchen, sich darin zurechtfinden
. Falsches Deutsch! Sich darin zurechtzufinden! Hat das denn niemand lektoriert? Andere Lebensweisheit:
Es gibt Menschen, die sind wie das Meer. Ihre Freundschaft ist wie ein schöner Platz am Strand
. Herrje! Mein Leben war ja schon ziemlich trist, aber anders trist. Meine Tristesse war mir lieber.
Susanne schlug vor, zum Italiener zu gehen. Wir fuhren ins Restaurant
Bella Italia
, das genau so war, wie man sich das
Bella Italia
in Winsen vorstellt. Wir aßen eine Nudelplatte für zwei Personen, was in Wahrheit fast schon zu intim war, denn die gute und vertraute Stimmung vom Garlstorfer Schützenfest ließ sich nicht wiederherstellen. Susanne vermittelte in Schlabberpulli, Bundfaltenstoffhose und ausgelatschten schwarzen Schuhen auch nicht gerade den Eindruck, als sei sie auf ein Sexabenteuer aus. Überhaupt keine Mühe hatte sie sich gegeben. Typisch Finanzamt. Es gelang mir nicht, dem Gespräch eine prickelnde Wende zu geben, und Alkohol zum Katalysieren stand mir ja leider auch nicht zur Verfügung. Dabei wäre das heute dringend nötig gewesen. Ich pichelte also mein damaliges Lieblingsersatzgetränk Spezi (Cola und Brause gemischt) und Susannchen (ich nannte sie im Geist bereits Susannchen) ein Viertel Lambrusco (
ich find’s gut, wenn der Wein schön süß ist
). Aber nur ein Viertel. Rätselhaft. Mir war es völlig unverständlich, wie man sich über zwei Stunden an einer lächerlichen Pfütze Rotwein hochziehen konnte. Alkohol trinkt man wegen der Wirkung. Ich war strukturell immer Wirkungstrinker gewesen; Susannchen hingegen entpuppte sich als langweilige Genusstrinkerin. Ein weiterer Hinweis darauf, dass wir uns wesensfremd waren. Das merkte sie wohl auch. Der Abend zog sich, und gegen zehn wollte sie los. Mein privates Schützenfest hatteich mir aber dann doch anders vorgestellt. Ich musste mich beim Rausgehen beherrschen, um nicht mit beiden Händen ihren schwabbeligen Körper abzugrapschen. Noch nicht mal eine Finanzamtssachbearbeiterin mit dicken Oberarmen und Silberblick wollte was von mir! Das war wie beim russischen Roulette danebenschießen. Wie viel Demütigungen kann ein einzelner Mensch eigentlich ertragen?! Wie ein geprügelter Hund musste ich nach Hause fahren. Mit dem Mut der Verzweiflung versuchte ich vorher noch, sie vor ihrer Wohnung zu küssen. Wenigstens den heißen Atem der Jungschützenkönigin als erotische Impression speichern. Doch Susannchen ließ keine Milde walten. O-Ton : «Das lassen wir mal besser.» Aufmunternd blickte sie mich an und gab mir kameradschaftlich die Hand. «Also tschüs dann. War ein schöner Abend.»
Ich sagte gar nichts. Von wegen schöner Abend, ach ja, das fand ich auch. Ein ätzender Drecksabend war es gewesen. «Ja, tschüs.»
Sie stiefelte schwerfällig in ihre Wohnung. Dicke Waden hatte sie, das sah ich erst jetzt. Richtig dicke Haxen! Mit 24 schon so dicke Haxen. Wie das wohl in zehn Jahren aussehen würde. Das mochte ich mir gar nicht vorstellen. Ich beschloss, das Thema Frauen für unbestimmte Zeit ruhen zu lassen, und tuckerte in meinem Japanporsche nach Hause.
Schutzfohlen
Mein Unterricht bei
Da Capo
ging den gewohnten Gang: Einblasübungen, Tonleitern und Sabbelei. Die Schüler kamen und gingen. Wenn alle geblieben wären, hätte ich bestimmt schon drei Tage die Woche zu tun gehabt. Nach den Sommerferien bekam
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