Fleisch ist mein Gemüse
hinterher von schneidigen Jungbauern in die Sektbar einladen. Nie würdigten sie michauch nur eines Blickes. Sehnsüchtig schaute ich die Elfen an. Ich hoffte, dass vielleicht doch mal eine zurückguckte, nur gucken, und besonders hübsch brauchte sie auch nicht zu sein. Aber selbst das schien zu viel verlangt.
Dann passierte es! Nicht irgendeine, nein, die Winsener Jungschützenkönigin nahm mich ins Visier! Sie saß mit einer Freundin auf der harten Zeltbank und trank Rotwein. Verstohlen schaute ich zu ihr hinüber. Plötzlich lächelte sie. Sie lächelte nicht irgendwie oder blickte durch mich hindurch, nein,
ich
war gemeint! Noch ahnte ich nicht, dass sie amtierende Jungschützenkönigin war. Nachdem das ungefähr eine Stunde so gegangen und ich vor Aufregung fast gestorben war, nahm ich schließlich all meinen Mut zusammen. Als ihre Freundin gerade zur Toilette war, taperte ich zu ihr hin.
«Hallo, ich bin Heinz, kann ich dich zu einem Getränk einladen?»
«Nein danke, ich hab noch. Aber setz dich doch.»
Ich setzte mich in fast allen Pausen zu ihr und erfuhr, dass sie Susanne hieß, 24 Jahre alt war und beim Finanzamt arbeitete. Sie hatte einen leichten Silberblick, und ihre Figur, die sie mit einem schwarzen Schlabberkleid kaschierte, machte einen schwammigen Eindruck. Vielleicht hatte ich eine Chance. Abgesehen davon, dass ich sowieso keine großen Ansprüche stellen durfte, war Aussehen auch egal. Dass sich überhaupt ein Mädchen für mich interessierte, hatte etwas Erhabenes und würde die Trendwende einläuten! Denn in Wahrheit war ich ein Star. Auf der nächsten Veranstaltung bereits würde ich im Muscle-Shirt spielen und mir einen Indianerkopfschmuck aufsetzen, wie der martialisch aussehende Saxophonist von Tina Turner. Vielleicht könnte ich mir dazu noch einen Sackschutz aus rotem Nubukleder umschnallen. Das Saxophon galt im Koordinatensystem unserer einfältigen Stammklientel als
tolles
Instrument. In den letzten Jahren hatten immer häufiger auch Schlagerstarswie Howard «Howie» Carpendale ein Saxophonsolo in ihren Schrott eingebaut, um die Titel irgendwie
anspruchsvoller
wirken zu lassen. Und in der Werbung hatte insbesondere das Altsaxophon einen Siegeszug ohnegleichen angetreten. Eine Haarshampoo-Spot ohne aufdringliches Getröte war Mitte der Achtziger undenkbar.
«Ach, Musiker bist du! Was spielst du denn?»
«Saxophon.»
«Echt, Saxophon? Saxophon ist so ein
tolles
Instrument.»
Ein tolles Instrument!
Das kam so sicher wie das Amen in der Kirche. Ätzend. Natürlich wurde das Saxophon nur von Leuten toll gefunden, die dieses eigentliche ehrenwerte Blasinstrument aus eben genau den säuischen Zusammenhängen Werbemusik, Schlager oder dem Tina-Turner-, Rod-Steward- oder Bruce-Springsteen-Dreck kannten. Es sind oft schon Kleinigkeiten, die Menschen als Idioten ausweisen. Neben BMW Roadster fahren, am Schlagermove teilnehmen oder fortwährend
im Endeffekt
sagen ist
Das Saxophon ist ein ganz tolles Instrument
der zuverlässigste Indikator.
In diesem Klima glaubte ich meinem Sexinstrument jetzt endlich auch bei
Tiffanys
zum verdienten Status verhelfen zu können. Es war doch nicht möglich, dass allgemein gültige Trends für eine Tanzband nicht galten! Spielte ich etwa schlechter Saxophon als die untalentierten Solisten von Westernhagen oder Grönemeyer? Iwo, kein Stück! Und die Liebe von Susannchen ebnete mir den Weg. Die Kollegen waren neidisch wie sonst was und zogen mich gehörig auf.
«Heinzer heut auf Freiersfüßen.»
«Guck mal an, Heinzer geht in die Offensive.»
«Heinzer, Heinzer, das traut man dir ja gar nicht zu.»
«Na, Heinzer, schön ein’ wegstecken heute?»
Widerliche Typen. Nicht die kleinste Freude gönnten sie mir. Egal, ich war beschwingt und nutzte die Gelegenheit zueiner Albernheit: Ich schlug den Kollegen vor, uns nach Begriffen aus der Welt der Fliegerei umzubenennen. Wir könnten uns ab sofort z. B.
Boarding Time
nennen. Oder
Departure
. Oder
Check in
. Wenn sich nun alle Tanzbands aus dem Landkreis Harburg nach Fachbegriffen aus der Fliegerei benennen würden! Polterhochzeit mit dem Trio
Cockpit
oder Tanztee mit dem Entertainer
Autopilot
. Ich spann den Faden weiter.
Flightcoupon
. Die Kollegen hörten schon nicht mehr hin.
Gate 99
. Der ideale Name für ein Duo.
Destination
= Sechsmannkapelle mit Bläser und Sängerin. Aber auch Namen von Fluggesellschaften kämen infrage:
Condor
oder
Air Acapulco.
«Heinzer kann man heute nicht ernst nehmen;
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