Fleisch ist mein Gemüse
andere Lüneburger Veranstaltungen, um so Anschluss an die VIP- und Reiche-Leute-Scene zu finden.
«Echt,
der
Taco?
Puttin’ on the Ritz
?»
«Ja, genau, Taco. Der kommt nächste Woche zum Proben.»
Taco hatte Anfang der achtziger Jahre mit einem Remake von
Puttin’ on the Ritz
einen Welthit gehabt, der sogar in den USA Nr. 1 gewesen war. Doch schon die Nachfolgesingle floppte,und nach kurzer Zeit war er wieder weg vom Fenster. In den kommenden Jahren tauchte er zwar noch hin und wieder in T V-Sendungen wie
der Aktuellen Schaubude
, dem
ZD F-Wunschkonzert
oder
Buten und Binnen
auf, aber selbst diese Auftritte wurden immer seltener, und irgendwann hörte man gar nichts mehr von ihm.
«Der kommt extra nach Winsen zum Proben? Was spielen wir denn überhaupt?»
«Yesterday Man.»
«Hä? Versteh ich nicht, hat der denn keine eigenen Titel? Mal ’ne indiskrete Frage: Was kriegt der eigentlich?»
«Der kriegt gar nichts.»
«Wie bitte? Der spielt ohne Gage? Wie kann das denn sein?»
«Weiß ich auch nicht so genau. Das ist über Tobias gelaufen. Taco will wieder ins Geschäft kommen und nützt das als Promo für sich.»
Das klang nicht gut. Zur Probe rückte Taco mit einem Käfer Cabriolet auf dem Holzhauerhof an. Wahrscheinlich das Einzige, was von der Karriere übrig geblieben war. Er sah ganz weich und füllig aus, wie eine liebe Mama, die gleich einen schönen Kuchen bäckt. Der Exweltstar war sehr höflich und bemüht, es allen recht zu machen. Klimperklimperklimper. Jensens Wurstfinger stolperten über die Plastiktasten seines Masterkeyboards.
«Das klingt wirklich gut.»
Schrammelschrammelschrammel Trööttrööttrööt.
«Echt Spitze mit dem Saxophon.»
Der große Lüneburger Herbstball fand bereits im vierten Jahr im
Forum Lüneburg
und zum vierten Mal mit
Tiffanys
statt. Eine gediegene Veranstaltung, weitab von den sich überstürzenden weltpolitischen Ereignissen. Das Publikum bestand aus besser verdienenden Ehepaaren jenseits der fünfzig, Steuerberatern,Apothekern, selbständigen Handwerkern mit eigenem Betrieb. Lautlos glitten die Honoratioren der Stadt über das Parkett, und auch in den Pausen lag lediglich eine dezente Glocke aus Murmeln und Flüstern, durchsetzt von gelegentlichem Gläserklingeln, über der Stadthalle. Wir hatten die Anlage so leise gedreht, dass sich der Sound nur knapp über der Grenze des Wahrnehmbaren bewegte. Torsten spielte dezent Besen und ich fast ausschließlich Flöte, wobei ich schrille Töne vermied. Der Gastauftritt eines Pantomimen oder etwas anderem
sehr Leisen
wäre sicher gut angekommen.
Taco hatte wohl schon länger keinen Gig mehr gehabt und war sichtlich nervös. Gurki übertraf sich bei seiner Ansage wieder einmal selbst:
«Und jetzt darf ich Sie um Ihre geschätzte Aufmerksamkeit bitten für den Stargast des heutigen Abends. Er ist nicht irgendein Stargast, nein, er ist ein Weltstar, der überall zu Hause ist. Letzte Woche war er noch in Las Vegas, und gestern erst ist er aus Tokio zurückgekommen. Dann hat er mich angerufen und gefragt, ob ich nicht irgendwas gegen seinen Jetlag wüsste, und ich hab gesagt, Mensch, wenn du Lust hast, dann komm doch morgen ins
Forum Lüneburg
, da sind alle gut drauf. Meine Damen und Herren, jetzt kommt’s: Er hat zugesagt!»
Die Leute warteten darauf, weiter zu tanzen.
«Er wird heute Abend alle seine großen Hits spielen. Ich bin froh, Ihnen einen Mann präsentieren zu dürfen, der mehr Showbizz im Finger hat als andere im ganzen Körper. Meine Damen und Herren, freuen Sie sich mit mir auf
TACO!!!
»
Taco sprang auf die Bühne. Vereinzeltes, irritiertes Klatschen. Er brüllte ins Mikro:
«EINEN RECHT SCHÖNEN GUTEN ABEND, LÜNEBURG!»
Stille.
«ICH HAB DA ERST MAL EINE FRAGE. SEID IHR GUT DRAUF?!»
Betretene Stille.
«OKAY, TORSTEN, DANN ZÄHL AN!»
Tacktacktacktack.
«I’m her Yesterday man, that’s what I am, that’s what I am, that’s what I am.»
Schon nach wenigen Takten begannen die Leute zu tanzen und schenkten ihm keine weitere Beachtung. Wie immer beschlossen wir das Medley mit
Na na na na na, na na na na, hey hey hey, goodbye
.
«Vielen Dank, Lüneburg, und einen schönen Abend noch. Macht’s gut.»
Winkend verließ der von Angstschweiß durchnässte Star die Bühne, und Gurki übernahm rasch wieder das Kommando:
«Und jetzt geht’s auch schon weiter mit Schmusimusi.
Smokie
, der ein Duett mit der Lederfrau Suzi Quatro hingelegt hat, dass ich sagen würde: ‹Da legst di
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