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Fleisch ist mein Gemüse

Fleisch ist mein Gemüse

Titel: Fleisch ist mein Gemüse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Strunk
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angesagten Segment, vielleicht sogar davon, wie Musikschul-Tobias einmal in
Kilometer 330
aufzutreten. Peter Black war schätzungsweise zwischen 45 und 65   Jahre alt und nahm jede
Chance
wahr, auch Kurzauftritte bei
Tiffanys
. Ich weiß gar nicht, wo Gurki ihn aufgegabelt hat, aber irgendwann hatte Peter bei uns sein erstes Engagement als
Stargast
. Ohne Gage natürlich. Er durfte hinterher lediglich seine CDs verkaufen. Seine
CDs
erwähnte Peter häufig. Er fand es wohl sehr fortschrittlich, dass er jetzt, Anfang des neuen Jahrzehnts, seine rustikalen Klänge vermittels des neuen Mediums unter das Publikum brachte. Mir war es peinlich, dass er, seine extrem kurzatmige Frau immer im Schlepptau, jetzt ständig mit auf Tour ging. Gurki sah das anders. Er glaubte, dass es
Tiffanys
aufwertete, wenn ein Stargast mit dabei war, der aber ein kleinerer Star war als die eigentlichen Stars. Und die eigentlichen Stars waren immer noch
wir
.
    Das zentrale Gesprächsthema von Familie Black war Peters chronisches Augenleiden. Er hatte schon eine ganze Reihe schwerer Operationen hinter sich und war auf dem linken Auge fast blind. Eigentlich hatte er die Hoffnung schon aufgegeben, als Dr.   Kaiser in sein Leben trat und ihm die noch verbliebene Sehkraft auf dem rechten Auge rettete, was den armen Peter mit tiefer Dankbarkeit erfüllte. Dr.   Kaiser war der größte noch lebende Mediziner! Fortwährend sprach der Countrybarde in den höchsten Tönen von diesem begnadeten Wunderheiler. Peter hatte seine jahrzehntelange Augenodyssee in einem Lied verarbeitet, das er immer als Höhepunkt seines Showblocks spielte. Es war so etwas wie seine Botschaft an die Menschen:
Das Wichtigste auf der Welt sind die Augen, nicht das Geld.
Voller Inbrunst stand der ältere Herr auf irgendeiner schimmeligen Bühne und missionierte eine gelangweilte Horde mit seinem Augenlied.
    Nach ein paar Monaten bekam Peter Black dann plötzlich Starallüren. Er benahm sich wie eine Berühmtheit, seine Frau tippelte unentwegt um ihren Meister herum, bestellte Kaffee, zog neue Zigaretten, und Peter erzählte pausenlos von sich, dem günstigen Verlauf seiner Karriere, Plattenvertrag und so, und natürlich von Dr.   Kaiser, dem besten Arzt der Welt.
Ich, ich, ich!
Sein letzter Gastauftritt war bei einer Hochzeit. Peter hielt sich nicht an die verabredeten drei Stücke, sondern spielte gleich fünf Lieder, obwohl die Hochzeitsgesellschaft bereits nach dem zweiten sehr genervt wirkte. Er hatte dann sogar noch die Stirn, am Schluss die beleidigte Leberwurst zu markieren: «Vielen Dank, mein Name ist Peter Black. Auch wenn Sie mein Auftritt nicht interessiert hat, möchte ich Ihnen sagen, dass ichgleich noch nebenan ein paar meiner eigenen
CDs
verkaufen werde. Bitte seien Sie doch so
anständig
und nehmen mir welche ab. Danke schön.»
    Das war zu viel des Guten, und wir haben den Peter nicht mehr mitgenommen. Er war unglaublich sauer über uns undankbare Gesellen und hat danach auch nicht sehr gut über uns geredet. Gut geredet hat er immer nur über Dr.   Kaiser, den König der Augenärzte.

1994
    Geisterstadt
    Im Januar erfuhr ich, dass wir doch wieder beim Hollenstedter Faslam spielen würden.
    «Hä, ich dachte, dass wir uns das nicht nochmal antun?»
    Norbert winkte nur resigniert ab. Er musste, denn im Sommer wollte er bauen und brauchte jede Mark. Ein Haus wollte er bauen und sich darin einschließen! Sofort nach der Arbeit ins Haus, Jalousien runter und fertig. Biesterfreie Zone. Nie würde ein verdammtes Biest die Schwelle seines schönen Hauses übertreten. Es wäre auch kein Haus im üblichen Sinne, sondern ein Bunker, Norberts persönliche Wolfsschanze. Und wenn er endlich pensioniert wäre, würde er sich dort für immer einschließen! Einkäufe erledigt ein ausschließlich aus Männern bestehender Bringdienst. Also ab nach Hollenstedt, denn der Bunker musste so schnell wie möglich fertig werden. Für die Kollegen wäre es auch nicht ernsthaft infrage gekommen, den Job wegen des zu erwartenden Sexbombardements abzusagen. «Wir sind schließlich Profis.» Das betonte ausgerechnet Gurki immer gern. Es war dann tatsächlich nicht mehr ganz so schlimm wie im Vorjahr, irgendwie schienen die Biester Ladehemmung zu haben.
    Es kam in diesem Jahr noch eine weitere Karnevalsveranstaltung hinzu, der Todtglüsinger Faslam. Todtglüsingen war ein im Laufe weniger Jahre völlig verarmtes Dorf. Viele der Bewohner wurden arbeitslos, Höfe mussten zwangsversteigert

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