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Fleisch ist mein Gemüse

Fleisch ist mein Gemüse

Titel: Fleisch ist mein Gemüse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Strunk
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Stunden mit ihren dilettantischen Kasperliaden quälen würden.
    Punkt acht Uhr ging es los. Es waren vielleicht 50   Gäste da, die außen an den Tischen saßen, während sich auf der Tanzfläche jeweils Gruppen von vier bis acht Leuten zusammengefunden hatten, um ein bestimmtes Bild oder eine Situation darzustellen. So ein Bild konnte zum Beispiel
Räuber Hotzenplotz
sein oder
Die große Blinddarmoperation
. Einer aus der Mannschaft der
Blinddarmoperation
war dabei als Arzt verkleidet, ein paarMädchen standen als O P-Schwestern daneben, und auf einem Krankenbett lag ein eingegipster Patient, an dem sich der Arzt diabolisch grinsend mit einem Skalpellnachbau aus Holz zu schaffen machte. Die Krankenschwestern waren siebzehnjährige Lolitas in Strapsen und extra tiefen Ausschnitten, wie man es aus Pornofilmen kennt. Unter ihrer fast durchsichtigen, weißen Schwesterntracht zeichneten sich die schwarzen Büstenhalter ab, welche nur mühsam die Pracht im Zaum hielten. Die Dörfler hatten in wochenlanger Kleinarbeit jedes noch so kleine Detail des jeweiligen Bildes liebevoll nachgebaut. Sie hatten aufwendige Kostüme geschneidert und holten auch darstellerisch das Letzte aus sich heraus. Diese Prozessionen kreisten nun eineinhalb Stunden zu den heiteren, aber nie banalen Klängen von
Tiffanys
um den Pudding. Die originellste Idee sollte von einer Jury prämiert werden. Wir hatten ausschließlich Augen für die Blinddarmoperation. In Paulchen-Panther-Sakkos standen wir auf den morschen Brettern der Kroll’schen Showbühne und waren dazu verdammt, knapp zwei Stunden die Bumskrankenschwestern anzustarren.
Rote Lippen soll man küssen, denn zum Küssen sind sie da
. Jaja, von wegen! Wir waren schon aufgrund unserer Scheißklamotten sozusagen von Berufs wegen draußen. Ebenso gut hätten es katholische Priester sein können, die da zum Tanz aufspielten. Dabei waren wir in Wahrheit doch
ganz normale junge Männer
. Um zehn beendete die Siegerehrung endlich das grausame Spiel. Das Sexhospital belegte nur Rang drei.
    Dann ging das Tanzvergnügen und damit unser eigentliches Martyrium los: Die Biester kamen aus allen Löchern gekrochen und enterten den Saal. Sie waren als Krankenschwestern, Polizistinnen oder Schulmädchen kostümiert, und die allgemeine Absprache schien zu lauten, die armen
Tiffanys
in die Knie zu zwingen. Wir nudelten brav unsere Gebrauchsmusik ab.
    «Mach dir das Leben nicht so schwer,
    lachend bringt es dir viel mehr.
    Auch wenn du mal traurig bist
    und dir nicht zum Lachen ist,
    lass dir nicht in die Karten schau’n,
    sei nach außen wie ein Clown,
    zeig stets ein lachendes Gesicht,
    denn Tränen lohnen sich doch nicht.»
    Die Stimmung war total aufgeheizt. Immer wieder verschwanden Typen mit einem der Biester. Manche kehrten nur wieder zurück, um gleich das nächste Sexabenteuer einzutüten, andere tauchten gar nicht mehr auf. Es wurde ungeniert geleckt, gegrapscht und gefummelt. Einige der Biester ließen sich jetzt sogar schon auf der Tanzfläche zwischen die Beine fassen. Ohnmächtig mussten wir das verdorbene Treiben mit ansehen.
    «Manche Mädchen kann man sehn,
    die in langen Hosen gehn,
    doch Mary Lou hat damit nichts im Sinn.
    In ihrem hübschen, bunten Kleid,
    ja da ist sie jederzeit
    schöner als die schönste Königin.»
    Diese Zeiten waren offenbar endgültig vorbei. Statt harmlosen Mary Lous in hübschen Sommerkleidern wurden hier minderjährige Hauptdarstellerinnen für einen Hardcorestreifen gecastet. Vielleicht liefen ja auch schon die Dreharbeiten, und nur wir waren nicht informiert worden. Norbert wurde immer bleicher. «Ich halt das nicht aus, ich halt das bald nicht mehr aus.»
    Ich versuchte krampfhaft wegzugucken, aber das ließ sich nicht lange durchhalten. Diese verdammten Biester! Eine nicht enden wollende Parade der Körperteile defilierte vor unserer Nase herum, und wir verloren zunehmend die Haltung. Ich schaute zu Norbert. Er war weiß wie eine Wand. Er sah aus, als ob er gleich von der Bühne springen würde, um sich auf einesder Biester zu stürzen. Wenigstens für einen flüchtigen Moment das geile Fleisch abgreifen! In den Pausen drehte er sich jetzt einfach zur Seite und glotzte an die Wand.
Haha, said the clown
. Die hässliche Fratze der sexuellen Heimsuchung schwebte über dem Bumsgasthaus. Norbert hatte völlig die Fassung verloren: «Das war das erste und das letzte Mal. Nächstes Jahr spiel ich hier nicht mehr. Nie wieder! Guck dir das doch an, ich dreh durch,

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