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Fleisch ist mein Gemüse

Fleisch ist mein Gemüse

Titel: Fleisch ist mein Gemüse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Strunk
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meinem fünfhundertsten Besuch mit verschiedenen Auszeichnungen bedacht: Herr Glawes senior persönlich verlieh mir die Ehrendoktorwürde, außerdem bekam ich in einer feierlichen Zeremonie die Glawes-Platinkarte und ein Spielhallenführungszeugnis mit Bestnoten ausgehändigt. Die Halle wurde zum Jubiläum fein herausgeputzt und für einen Tag exklusiv mir überlassen. Das Beste jedoch war, dass mir die Geschäftsführung an allen zehn Automaten je einhundert Sonderspiele eingestellt hatte.
    So hätte nach meinen Vorstellungen die mächtige Glawesdynastie handeln müssen, um ihre Stammspieler für alle Ewigkeiten an sich zu binden. Der Alltag sah anders aus: Wolfgang und ich hatten unsere Feindschaft auf hohem Niveau kultiviert, und die Ausländerclique schien sich auf wundersame Weise ständig zu erneuern. Ab und an verstarb jemand aus der Rentnertagesschicht. Die alten Leute kamen immer in dicken Mänteln in die Halle. Die Mäntel zogen sie
niemals
aus, und Kaffee tranken sie auch keinen. Eine zuverlässige Altersbestimmung: unter siebzig = Mantel aus und Kaffee trinken. Über siebzig = Im Mantel sich totschwitzen und dabei innerlich austrocknen. Das ist nämlich doch kein Quatsch mit den alten Leuten und dem fehlenden Durstgefühl. Durch die Todesfälle verschob sichdas soziale Gefüge der Spielhalle aber letztlich nicht, da natürlich auch der eine oder andere Stammspieler irgendwann das Rentenalter erreichte und dann den Mantel nicht mehr auszog.
    Der nette Türke vertraute mir an, dass er so etwas wie ein Quartalsspieler sei. Wochen-, ja monatelang blieb er trocken, doch dann überkam es ihn, und er verspielte innerhalb weniger Tage mehrere tausend Mark. Er hatte insgesamt schon um die 400   000   DM verloren, ausschließlich in Automatenkasinos! Auch ich nahm mir regelmäßig vor, nie wieder auch nur eine Mark in die Verbrecherhalle Glawes zu tragen, aber es zog mich immer wieder zurück an diesen Ort des Verderbens. Der Merkur Disc 2 war längst ausgemustert und durch eine neue Generation von Hightech-Automaten ersetzt worden, nachdem der Gesetzgeber das Hochdrücken auf hundert Sonderspiele verboten hatte, angeblich, um das Suchtpotenzial der Gurken zu vermindern. Bescheuert. Außerdem, und das war das Dümmste, schalteten sich die Kisten jetzt immer nach einer Stunde ununterbrochenen Spielens für jeweils drei Minuten aus, um die Spieler wieder zur Besinnung zu bringen. Ich kochte jedes Mal vor Wut, wenn sich die Auszeit durch ein debiles akustisches Signal ankündigte. Dann war noch die Telefonnummer einer Spielerseelsorge angegeben, mit dem Vermerk
Übermäßiges Spielen ist keine Lösung bei persönlichen Problemen
. Ach so, darüber hatte ich noch gar nicht nachgedacht. Den Sesselpuper, der sich diesen Schwachsinn ausgedacht hat, würde ich mir gern mal schnappen. Auf die sich drehenden Scheiben eines übermannshohen Disks gehört er geschnallt und in die Besinnungslosigkeit rotiert! Die kluge Automatenindustrie behalf sich jedoch, indem sie
Spezialsonderspiele
einführte. Die hießen
Jumbo-, Money-Jumbo-, Gold-, Super-
oder
Multispiele
, und 50 dieser Spiele hatten mindestens die Gewinnerwartung von hundert normalen Sonderspielen, da man bei nahezu jedem Feld gewann. Aber das Beste waren
Action-
und
Gigaspiele
! Hier gewann man aufeinen Schlag 25   Sonderspiele. Was für eine Spannung! Dann riskieren, und weiter ging’s, erst auf 25
Multi-
, dann 25
Maxipower-
bis zum absoluten Gipfelpunkt,
50   Maxipowerspiele
. Nichts auf der Welt ist mit dem Erreichen von
50   Maxipowerspielen
vergleichbar! Da kann Reinhold Messner gleich zweimal nacheinander den Mount Everest hochkrabbeln, ohne Sauerstoffgerät und im Handstand.

Peter Black
    Peter Black hieß eigentlich Horst Krause und konnte nicht besonders gut Englisch. Wahrscheinlich hat er sich ja deshalb diesen eher einfältigen Künstlernamen ausgesucht. Vielleicht war es aber auch die Idee seiner Frau gewesen, die ihn zu jedem seiner Auftritte begleitete und dort als Erstes immer eine Riesenkanne Kaffee orderte. Peter war trockener Alkoholiker. Er trank in einem fort Kaffee, rauchte Kette und hatte große Ähnlichkeit mit dem sympathischen Attentäter Günter Parche, der im Mai unsere Steffi Graf mit Waffengewalt gegen die jugoslawische Kampfmaschine Monica Seles verteidigt hatte. Peters Liebe gehörte neben starkem Bohnenkaffee der Countrymusik. Trotz fortgeschrittenen Alters träumte er von einer Karriere in diesem Anfang der Neunziger schwer

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