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Fleisch ist mein Gemüse

Fleisch ist mein Gemüse

Titel: Fleisch ist mein Gemüse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Strunk
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Jetzt, wo alles in trockenen Tüchern ist, pfeift er nur noch selten. Ein richtiger Party- und Gelegenheitspfeifer ist er geworden! Allenfalls, wenn ein freudiges Ereignis ansteht oder ihm etwas besonders gut gelungen ist, schürzt er noch hin und wieder die Lippen.

Taubenplage
    Auf den Mucken passierte so gut wie nie etwas Außergewöhnliches. Diese Gleichförmigkeit beruhigte mich, denn Aufregung konnte ich gar nicht vertragen. Wenn mir nach Nervenkitzel zumute war, schaute ich mir im Fernsehen einen Psychothriller an. Die einzigen Überraschungen nach meinem Geschmack waren Auftritte von Gaststars, die zu einer unerwarteten Pause führten. Ah, herrlich, eine halbe Stunde Fips Asmussen! Sofort an den Tresen und einen schönen Jubi bestellen. Ansonsten konnte von mir aus immer alles gleich sein. Das Klein Eilstorfer Zigeunerschnitzel war in dieser Hinsicht vorbildlich: zwölf Jahre 1 a-Qualität, exzellentes Fleisch und eine interessante Soße.
    Die Sommermonate waren für Tanzbands immer mau. Urlaubszeit. Der einzige Job im August 1996 war die Hochzeitsfeier der Eheleute Meenck in Sprötze. Sprötze ist ein winzig kleiner Ort und scheint nur aus einem einzigen Gebäude zu bestehen: dem
Landgasthof Coburger
. In den achtziger Jahren war ich mit Kadett und Nissan nach Sprötze gejuckelt und jetzt mit dem roten Polo, der mittlerweile nur noch auf drei Zylindern lief und seine Leistung auf ungefähr sechs PS reduziert hatte. Meine Kollegen fanden das sehr lustig. «Haha, guck mal, Heinzers Polo fährt nur noch auf drei Töppen, haha.»
    Sie dichteten
Marina, Marina, Marina
von Rocko Granata um und sangen den letzten Refrain mit einem auf mich gemünzten Text. Statt «
Wunderbares Mädchen, bald sind wir ein Pärchen, drum lass mich nicht alleine, oh nonononono»
hieß es nun «
Wunderbarer Bube, wir fahr’n nach Buxtehude, in deinem alten Polo, oh nonononono»
. Das letzte bisschen Menschlichkeit, das sie mir entgegenbrachten.
    An diesem Tag in Sprötze ging es mir fast so schlecht wie in alten Zeiten. Ich war schwer verkatert, hatte zu wenig geschlafenund war total aufgeladen. Während der Fahrt erwog ich, rechts ranzufahren und mich noch schnell abzumelken, fand das dann aber doch zu demütigend. Ich hatte schließlich schon so viel ausgehalten! Es war unerträglich schwül. Bestimmt würde es schwere Gewitter geben.
    Ich ging erst mal in den Saal und begrüßte alle mit Handschlag. Das war bei
Tiffanys
so üblich. Genau wie im Kabinett des deutschen Bundeskanzlers Dr.   Helmut Kohl. Seit mindestens hundert Jahren begrüßte der Erbkanzler jeden einzelnen seiner Minister per Handschlag. Das sollte ihm mal einer nachmachen. Moderne Menschenführung nach bewährtem Rezept. Den Handschlag tauschte ich selbst mit meinem Intimfeind Maik aus.
    «Tag, Maik.»
    «Hallo, Heinzer.»
    Das war’s dann allerdings für den Abend meist auch an Konversation. Ich schritt gerade die Runde ab, als ich von draußen ein hässliches Geräusch vernahm, begleitet von lautem Fluchen in einer mir nicht geläufigen Sprache. Intuitiv wusste ich, was Sache war, und stürzte hinaus. Tatsächlich: Eine Saisonhilfskraft war mit dem Rasenmähertrecker rückwärts über mein schönes Sopransaxophon gefahren, das ich leichtsinnigerweise in der Nähe meines Autos liegen gelassen hatte. Ich machte den Koffer auf. Schrecklich, schrecklich, schrecklich, furchtbar, furchtbar, furchtbar. Die goldene Klarinette! Das filigrane Instrument war zermalmt, die Mechanik verbogen und der Korpus grotesk zerquetscht. Man musste kein großer Fachmann sein, um zu erkennen, dass es sich um einen Totalschaden handelte. Zitternd glotzte ich abwechselnd auf das deformierte Instrument und in das grobe Gesicht der offenbar osteuropäischen Hilfskraft.
    «Hab nicht gesehen. Tut mir Leid», stammelte der Verbrecher.
    Lern erst mal vernünftig Deutsch, dachte ich. Der Kerl war bestimmt nicht ordentlich versichert. Keinen Pfennig würde ich sehen. Ich rechnete aus, wie viel mal ich spielen musste, um mir ein neues Instrument zu verdienen. Er blieb auf seinem beknackten Vehikel sitzen und guckte mich mit traurigen Augen an. Wieso musste das jetzt passieren? Ich hatte die pathologische Sensibilität eines Trinkers, der sich gerade eben noch so im Leben zurechtfindet. Bedingung: Es darf auf keinen Fall etwas schief gehen. Mein Dasein glich einem Eiertanz. Selbst Kleinigkeiten wie unverhältnismäßig lange Rotphasen konnten das fragile Gleichgewicht durcheinander bringen und

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