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Fleisch ist mein Gemüse

Fleisch ist mein Gemüse

Titel: Fleisch ist mein Gemüse Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz Strunk
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Sakko dürfte ich natürlich keinesfalls ausziehen! Später, wenn die Feier dann in Gang wäre und die Leute alle einen im Tee hätten, würde eh keiner mehr so genau hingucken.
    Als ich dann jedoch die Garderobe betrat, fiel mir das Herz in die Hose. Die Umkleidekabine war mit gleißendem Neonlicht ausgeleuchtet und voll verspiegelt. Das würde schwierigwerden. So frickelte ich erst mal endlos an meinen Schuhen herum. Immer wieder öffnete ich die Schleife, um sie erneut zuzubinden.
    «Na, Heinzer, weißt nicht mehr, wie Schuheschnüren geht?»
    Ich reagierte nicht auf so dumme Bemerkungen. Sorgsam zog ich den Gürtel enger. Das Hemd hing perfekt versteckt hinter dem Sakko.
    «Ach, Scheiße.»
    «Was ist denn?»
    «Ich hab noch was auf der Bühne vergessen. Komm gleich wieder.»
    Versteckt in der Toilette rechts neben der Garderobe, wartete ich darauf, dass die Kollegen endlich zur Bühne gingen. Sie kamen aber nicht. Eine endlose Zeit verging. Sie kamen einfach nicht. Dann ging plötzlich die Tür auf, und Norberts großer, viereckiger Kopf erschien. Er sagte mit Grabesstimme ins Nichts hinein: «Heinz, kommst du mal bitte!»
    Was sollte denn das? Ich war doch gar nicht da. Außerdem hatte er Heinz gesagt. Nicht Heinzer. Au weia. Benommen taperte ich in die Garderobe zurück. Gurki hielt das Hemd gegen das Neonlicht, die anderen standen um ihn herum. In der grellen Beleuchtung wirkte der Lappen noch schwärzer als zu Hause. Außerdem roch er schlecht, was mir noch gar nicht aufgefallen war.
    «Unfassbar.»
    «Ich glaub das jetzt nicht.»
    «So was hab ich ja überhaupt noch nicht gesehen.»
    Gurki, die Drecksau, hatte tatsächlich Lunte gerochen und meinen Kleidersack durchwühlt. Triumphierend blickte er mich an: «Das müsste mal
gebügelt
werden.»
    Ich hielt lieber den Mund. Jeder Versuch, mich rauszureden, hätte sie nur noch rasender gemacht. Norbert und Jens übtensich in Schadensbegrenzung. Sie eilten auf die Bühne und stellten mein Mikro in eine dunkle Ecke. Ich war der Affenmensch, den niemand zu Gesicht bekommen durfte.
    Die ersten beiden Stunden liefen dennoch wie geschmiert. Ich blieb brav in meiner Ecke stehen und trank nichts, um nicht aufs Klo zu müssen. 22   Uhr, Tatatata, großer Tusch, Ansage Gurki: «Jaaaaaa, liebe Freunde   …» Der Auftritt von Stargast Fips Asmussen stand bevor. Das norddeutsche Humorurgestein war wie immer im nigelnagelneuen Jaguar vorgefahren und würde eine grandiose halbe Stunde abliefern. Ich glaube, dass es schwer ist, einen souveräneren Menschen zu finden als Fips Asmussen. Ihn kann gar nichts mehr erschüttern. Fips ist Witzeerzähler, und das seit dreißig Jahren. Keine Standup-Comedy, kein Kabarett, keine Politsatire, nein, Witze, und zwar
einen nach dem anderen
! Wie jeder Amerikaner einmal Elvis gesehen haben sollte, müsste eigentlich jeder Deutsche einmal Fips Asmussen live erlebt haben. Wir räumten die Bühne für den Auftritt des Giganten, der mittlerweile ungefähr zwanzig Millionen Witzekassetten verkauft hat. Und da kam er schon, Fips Asmussen. Das war Timing! Ich huschte, so schnell ich konnte, an ihm vorbei, doch plötzlich griff er nach meinem Arm! Ich wäre fast gestorben, denn was jetzt kommen würde, ahnte ich:
    «Ach, guck an, der Herr Musikus, nicht so eilig. Bist du auf der Arbeit oder bist du auf der Flucht? Was sehen meine entzündeten Augen denn da: Kann es sein, dass dein Hemd nicht ganz sauber ist? Zieh doch mal das Sakko aus!»
    Ich ziehe wie hypnotisiert das Sakko aus.
    «O là là, bitte einmal das Saallicht an, und ich darf das Ehepaar Schlüter zu mir bitten. Das dürfte Sie interessieren   …»
    Ehepaar Schlüter kommt gespannt auf uns zu. Herr Schlüter trägt einen tiefschwarzen Smoking und unglaublich blank gewienerte Schuhe. Der Scheitel ist wie mit dem Messer gezogen, alles einfach
perfekt
. Frau Schlüter ist aufwendig frisiert. Siehat sich extra für diesen Tag ein Modellkleid schneidern lassen und trägt dazu passenden, edlen Schmuck. Beide duften extrem gut, und Herr Schlüter hat sich sogar unter den Achseln rasiert, obwohl er ein Mann ist. Sie kommen näher und riechen bereits aus fünf Metern Entfernung das Dreckshemd. Fips Asmussen deutet triumphierend auf den blutverschmierten Ärmel und tritt einen halben Schritt zurück. Er freut sich schon. Das Ehepaar Schlüter schaut fassungslos abwechselnd in mein Gesicht und auf das Hemd. Frau Schlüter beginnt leise zu weinen, dann sackt sie mit einem Mal ohnmächtig in

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